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rhein-ruhr

„Für Frauen die beruflichen Rahmenbedingungen passend machen.“

Aktualisiert: 28. Feb. 2023

Deutschlands Verkehrsbetrieben fehlt das Fahrpersonal. Bei der Fachkräftekonferenz des VDV in Berlin sollen Lösungen für die Misere erarbeitet werden. Das Ziel: mehr Frauen und Migrant:innen ansprechen und mehr für die (psychische) Gesundheit der Belegschaft tun.

Ab dem 28. Februar werden mehr als 100 Personalverantwortliche aus den Verkehrsunternehmen sowie Vertreter:innen der Gewerkschaften, des Bundesarbeitsministeriums und der Forschung in Berlin zusammenkommen. Bei der ersten Fachkräftekonferenz des Verbands Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV) wollen sie Antworten auf den Fachkräftemangel finden, der schon jetzt drastische Auswirkungen auf die Verkehrsbranche hat.

Der demografische Wandel zwingt verstärkt zum Umdenken,“ so Charlotte Knappertsbusch die bei der Arbeitgeberinitiative „Deutschland mobil 2030“ des Verbands für Personalmarketing und Employer Branding mitverantwortlich ist. „Die Jahrgänge 1950 bis 1964, die Babyboomer, gehen nach und nach in den Ruhestand. Die 1950er-Jahrgänge sind bereits in Rente und spätestens 2031 werden auch die 1964-Jahrgänge in Ruhestand gehen, das ist nicht mehr lang.“

Weil die nachfolgenden Jahrgänge weniger geburtenstark sind und waren, sind nicht genug Menschen da, um die freiwerdenden Stellen nachzubesetzen. „Es war schon vorher klar, dass diese demografische Herausforderung auf uns zurollen würde, aber mit den kommenden Jahren wird es immer brisanter“, verdeutlicht Charlotte Knappertsbusch.


Mehr Frauen in Arbeit zu bringen und ihnen eine zur Lebensphase passenden berufliche Chance zu geben, ist eng verbunden mit der umfassenden Klärung der Kinderbetreuung. Unsere Branche hat die Chance, die Erhöhung der Erwerbsquote von Frauen für sich zu nutzen. Auch deshalb wird dieses Fokusthema Teil der 1. VDV-Fachkräftekonferenz 2023 sein.

Charlotte Knappertsbusch, Personalmarketing & Employer Branding bei Deutschland mobil 2030 GmbH


In den VDV-Mitgliedsunternehmen im ÖPNV arbeiten rund 152.000 Menschen. 24,7 Prozent der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, also fast jeder Vierte, müssen bis 2030 altersbedingt ersetzt werden. Von diesen Stellen wird nur jede Fünfte von einem Auszubildenden besetzt werden können.

Auf die Frage, wer die Jobs übernehmen soll, wollen der VDV, die verbandseigene Bildungstochter VDV-Akademie und die Arbeitgeberinitiative gemeinsam mit den mehr als 100 Teilnehmenden Antworten finden.


Fünf Handlungsfelder, um dem Fachkräftemangel zu begegnen


“Das ist natürlich nicht die erste Veranstaltung dieser Art. Wir beschäftigen uns beim VDV seit langem in den verschiedensten Gremien mit dem Thema Fachkräftemangel“, sagt Michael Weber-Wernz, Leiter des Fachbereichs Bildung beim VDV und Geschäftsführer der VDV-Akademie. “Jetzt liegt das Fachkräftepapier der Bundesregierung mit klaren Handlungsanweisungen vor, weshalb die Veranstaltung wunderbar in die Landschaft passt.”

Die Bundesregierung setzt mit ihrer Fachkräftestrategie auf fünf Handlungsfelder, die sich auch in den Workshops der Konferenz wiederspiegeln, wie Charlotte sagt.


Handlungsfeld 1: Zeitgemäße Ausbildung

Die Bundesregierung will für moderne und attraktive Ausbildungsangebote und eine frühzeitige und umfassende Berufsorientierung für alle Schülerinnen und Schüler sorgen.


Handlungsfeld 2: Gezielte Weiterbildung

Weiterbildung und Qualifizierung soll in Deutschland - unabhängig vom Alter - für alle leichter zugänglich werden. Dieses Thema spiegelt sich im Workshop „Zukunft braucht neue und innovative Wege in der Gewinnung und (Weiter-) Qualifizierung von Fachkräften“ wieder, den Vertreter:innen der VDV-Akademie, der Arbeitgeberinitiative und der Gewerkschaft ver.di leiten werden.


Handlungsfeld 3: Erwerbsbeteiligung von Frauen erhöhen

Die Bundesregierung will besonders die Erwerbsbeteiligung von Müttern erhöhen, die häufig Vollzeit arbeiten wollen, wegen fehlender Betreuungsmöglichkeit aber nur Teilzeit arbeiten können. Diesem Thema widmet sich der Workshop „Zukunft braucht mehr Frauen im Erwerbsleben“, den Pamela Matheis, Abteilungsleiterin Personalmanagement bei den Karlsruher Verkehrsbetrieben, leiten wird. „Frauen gelten in unserer vorwiegend männlichen Branche als wichtige „stille Reserve“, sagt Charlotte Knappertsbusch. „Wir als Verkehrsbranche sollten überprüfen und schauen, wie wir die Rahmenbedingungen verbessern können, wenn wir die Frauen in Lohn und Brot bringen wollen und z.B. aus Teilzeit- Vollzeitkräfte machen und Alleinerziehende ansprechen wollen.“ Einige Unternehmen der Branche verfolgen bereits verschiedene Ansätze – vom Zuschuss zur Kinderbetreuung über familienfreundliche Fahrdienste bis zur Betriebskita – um Frauen zu gewinnen und je nach Lebensphase durch entsprechende Chancen und Perspektiven an sich zu binden.

Handlungsfeld 4: Verbesserung der Arbeitsqualität, Wandel der Arbeitskultur

Die Bundesregierung will Projekte unterstützen, die helfen, die Arbeitskultur in den Betrieben zu verbessern und ältere Erwerbstätige länger im Erwerbsleben halten. Längere Lebensarbeitszeiten können den Mangel in der Verkehrsbranche nur bedingt lindern, Charlotte Knappertsbusch. „Es gibt Menschen, die sind in ihren 50ern schon durch. Mitarbeitende aus dem gewerblich-technischen Bereich, wie z.B. der Gleisbauer, der schwere körperliche Arbeit verrichtet.“ Die Arbeitsbedingungen auch in Hinblick auf Mental Health zu verbessern, sei aber sehr wichtig, sagen sowohl sie als auch Michael Weber-Wernz von der Akademie. Entsprechend wird die Betriebsärztin der Stuttgarter Straßenbahnen und Vorsitzende des Arbeits- und Verkehrsmedizinischen Ausschusses des VDV, Dr. Christine Gartner-Werner, einen Workshop zum Thema „Zukunft braucht gesundheitsfördernde Arbeitsorganisationen und eine sinnstiftende Arbeitskultur“ leiten.


Handlungsfeld 5: Moderne Einwanderungspolitik

Darüber hinaus setzt Deutschland auf die Einwanderung ausländischer Fachkräfte. Wie die Verkehrsbranche von Arbeitnehmenden aus dem Ausland profitieren kann, darüber sprechen Silja Steinert, Leiterin Cross Border Recruiting bei der Deutschen Bahn und Stephan Heuke, Bereichsleiter Internationales und stv. Geschäftsführer der Bundesagentur für Arbeit im Workshop „Zukunft braucht engagierte Fachkräfte – Erwerbsmigration und Integration“. In diesem Workshop werden Voraussetzungen und Möglichkeiten zur Erwerbsmigration in Europa und aus Drittstaaten aufgezeigt, parallel zur Novellierung des Fachkräfteeinwanderungsgesetztes der Bundesregierung.


Andere Workshops befassen sich mit der Digitalisierung und konkreten Wegen aus dem Fahrermangel in der Branche. Im Fahrbetrieb bei Bus und Bahn ist der Personalmangel am größten, wie die Personalumfrage des VDV aus dem vergangenen Jahr zeigt. Im Fahrdienst prognostizierten „fast 80 Prozent der teilnehmenden Unternehmen einen höheren Bedarf bis 2030. Derzeit arbeiten allein in diesem Bereich 96.000 Beschäftigte“, sagt VDV-Hauptgeschäftsführer Oliver Wolff.

Einige Verkehrsunternehmen wie die Kölner Verkehrsbetriebe dünnen wegen hoher Krankenstände bereits Fahrpläne aus, bei anderen Unternehmen wie den Niederrheinischen Verkehrsbetrieben in Moers springen Angestellte aus der Verwaltung im Fahrdienst ein.


„Ich bin regelmäßig im Austausch mit Verkehrsunternehmen. Viele haben große Probleme bei der Gewinnung von Fahrpersonal: Den notwendigen Bedarf zu decken gestaltet sich vor diesem Hintergrund in vielen Fällen als schwierig. Hinzu kommt der krankheitsbedingte Ausfall von Fahrerinnen und Fahrern, der in den vergangenen Monaten außergewöhnlich angestiegen ist.“

Michael Weber-Wernz, Geschäftsführer der VDV-Akademie


Michael Weber-Wernz, Geschäftsführer der VDV-Akademie, gibt gemeinsam mit Michael Neugebauer, Landesgruppenvorsitzender der VDV-Landesgruppe Niedersachsen/Bremen und Patrick Orschulko, Referent für Recht/Touristik beim Bundesverband Deutscher Omnibusunternehmen (bdo) e. V. den Workshop „Zukunft braucht Wege aus dem Fahrermangel“. Die Workshops beginnen jeweils mit einem Impuls zu dem jeweiligen Thema, bevor es in medias res gehe, wie Charlotte Knappertsbusch betont „Die Teilnehmer bekommen in den Workshops ganz konkrete Handlungsempfehlungen anhand von Best Practices aus der Branche“, ergänzt Michael Weber-Wernz. Die Ergebnisse aus den anderthalbstündigen Sessions werden anschließend plakativ zusammengefasst im Plenum vorgestellt.

So solle durch gute Beispiele Mut gemacht und Wege aufgezeigt werden, sagt Charlotte. „Wir bieten einen Perspektivenwechsel, weil vor Ort sowohl Vertreter:innen der Gewerkschaft, des Bundesarbeitsministeriums, aber auch aus den Verkehrsunternehmen ihre Einblicke teilen und handlungsbezogene Lösungen vorstellen. Aus all diesen unterschiedlichen Mosaikstückchen ergibt sich ein Gesamtbild und eine Art Handlungsorientierung.“

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