Weltweit verschwinden die Insekten: Landwirtschaft, Licht und versiegelte Böden nehmen Bienen, Ameisen, Schmetterlingen und Käfern den Lebensraum. Viele europäische Städte versuchen, den Tieren diesen Raum zurückzugeben: auf Gebäudedächern - oder Straßen- und U-Bahnhaltestellen. So wie in Frankfurt.
Wer früher mit der Familie mit dem Auto in die Sommerferien fuhr, hatte nach wenigen Minuten die ganze Windschutzscheibe voller Mücken. Das passiert heute nicht mehr. Mücken, Fliegen, Tag- und Nachtfalter, Wildbienen, Zikaden und Ameisen verschwinden. Allein in Deutschland ist die Zahl der Fluginsekten - der Bienen, Hummeln, Mücken und Schmetterlinge - in den letzten 27 Jahren um 75 Prozent zurückgegangen.
Das Insektensterben ist jedoch kein regionales, sondern ein globales Problem mit drastischen Auswirkungen auf unser Ökosystem: Nicht nur, dass Insekten die Nahrung vieler Tiere sind - schon heute registrieren Ornithologen einen Rückgang von Vögeln, deren Nahrungsquelle Insekten sind. In China werden bereits Blüten von Hand oder mit Drohnen bestäubt, weil es nicht mehr genügend Insekten gibt, die das übernehmen könnten.
Die Hauptursache für das globale Insektensterben ist laut dem BUND die industrielle Landwirtschaft: Monokulturen, Agrargifte wie Neonicotinoide und Herbiziden sowie der starke Einsatz von Düngemitteln töten einen Großteil der Insekten. Direkt oder indirekt durch Entzug der Nahrungsgrundlage. Auf Platz vier folgt die intensive Forstwirtschaft.
Danach kommen die Städte und Metropolen mit ihren versiegelten Böden, der Lichtverschmutzung und den Gärten mit englischem Rasen - oder Kies.
“Die deutsche Wirtschaft wächst, und mit ihr die Zahl neuer Siedlungen, neuer Gewerbegebiete und Straßen. 66 Hektar fruchtbarer Boden verschwinden derzeit jeden Tag unter Asphalt und Beton, Lebensraum unzähliger Insekten, oberirdisch wie unterirdisch.”
BUND Immer mehr Städte in Europa versuchen, dem Artensterben zumindest im Kleinen etwas entgegen zu setzen: die niederländische Stadt Utrecht beispielsweise ließ 316 Wartehäuschen an Bus- und Bahnhaltestellen begrünen, damit Insekten dort Nahrung finden.
Auch in Graz, Wien, Leipzig und Berlin gibt es Haltestellen mit bienenfreundlicher Bepflanzung. Von den grünen Dächern profitieren aber nicht nur die Insekten: das Substrat auf den Wartehäuschen speichert das Regenwasser und die Pflanzen verbessern mit ihrer Verdunstung das Mikroklima und filtern Feinstaub.
Gut für die Luft, für Bienen und Fahrgäste
Deshalb haben auch die Stadtwerke Verkehrsgesellschaft Frankfurt am Main mbH (VGF) 2020 beschlossen, einen Teil ihrer Haltestellen zu begrünen. Das zusätzliche Gewicht der Erde und der Pflanzen - zwischen 60 und 90 Kilogramm kommen pro Quadratmeter hinzu - macht die Statik der existierenden Wartehäuschen allerdings nicht überall mit.
Deshalb musste die VGF zunächst prüfen, ob sich bestehende Wartehallen umrüsten lassen - und zu welchem Preis. Auch bei neuen Straßen- und U-Bahnhaltestellen wurde geprüft, wie aufwändig beziehungsweise teuer eine Dachbegrünung ist.
Anfang Februar 2021 hat die VGF dann ihre erste grüne Haltestelle in der Frankfurter Innenstad vorgestellt: Die Dächer der Wartehäuschen an der Straßenbahn-Haltestelle „Börneplatz / Stoltzestraße“ sind mit sieben verschiedenen blühenden Pflanzenarten bepflanzt.
Zusätzlich wachsen an der Rückwand einer der beiden Haltestelle unter anderem Moose, Sonnenhut, Taglilie, Astern, Purpurglöckchen und Süßgräser.
Diese begrünte Rückwand an der Haltestelle ist ein Pilotprojekt, das zunächst auf ein Jahr begrenzt ist. Hier muss sich zeigen, ob sich der Aufwand lohnt: Für die Vertikalbegrünung wurde extra die Sitzbank ausgetauscht. Dort ist nun ein 500-Liter-Wassertank verbaut, um die Pflanzen an der Rückseite ausreichend zu bewässern.
Die Haltestellen wurden aber nicht nur begrünt, sondern auch technisch aufgerüstet und mit digitalen Infobildschirmen für die Fahrgäste ausgestattet. Dort können sie jetzt sehen, wo wann und wohin der nächste Bus, Bahn oder auch ein Sharing-Fahrzeug zur Verfügung steht.
Im Sommer sollen drei weitere Straßenbahn-Haltestellen grüne Dächer erhalten, im August kommt mit der Station Kalbach auch eine oberirdische U-Bahn-Station hinzu. Die Hallen, die jetzt ein schickes, neues Dach erhalten, sind allesamt neue Wartehäuschen. Einzige Ausnahme: die Straßenbahn-Haltestelle “Louisa Bahnhof“. Diese wurde umgerüstet.
“Wir werden allerdings nicht einfach alle Wartehallen unserer 139 Straßenbahn-Haltestellen und 57 oberirdischen U-Bahn-Stationen begrünen können. Die dort stehenden Hallen sind statisch nicht alle geeignet, eine – je nach Hersteller – pro Quadratmeter zwischen 60 und 90 Kilogramm schwere Dachbegrünung zu tragen.”
Karola Brack, Stadtwerke Verkehrsgesellschaft Frankfurt am Main mbH
Die Kosten von rund 100 Euro pro Quadratmeter bienenfreundlichem Haltestellen-Dach teilen sich übrigens die Stadt Frankfurt und die Verkehrsgesellschaft zu gleichen Teilen. Schließlich bleiben zumindest die grünen Dächer der Haltestellen permanent und sorgen für bessere Luft in der Frankfurter Innenstadt.
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