Wenn es um Inklusion von Menschen mit Behinderung geht, richten sich viele
Maßnahmen an Menschen, die nicht (gut) sehen können oder einen Rollstuhl
benutzen. Heiko Nowicki, Kundenbetreuer bei der Bochum-Gelsenkirchener
Straßenbahn AG, wollte etwas für gehörlose Passagiere tun – und hat begonnen
Gebärdensprache zu lernen.
Heiko Nowicki, Kundenberater bei der BOGESTRA spricht Gebärdensprache.
Auch wegen eines Films. Als er 2008 bei der Bochum-Gelsenkirchener
Straßenbahn anfing, stellte er nämlich fest, dass einige seiner Kund*innen gehörlos
waren und er sich nur mit Zettel und Stift verständigen konnte. Was er als
unbefriedigend empfand - für sich und seine Kund*innen.
Fortlaufend kam mir wieder dieser Film aus den 80ern in den Sinn: Children of a lesser God, in dem Marlee Matlin mit solch einer agitativen Vehemenz gebärdete. Dazu diese Filmmusik: Bachs großartiges Konzert für 2 Violinen – einfach toll! Seitdem hatte ich diese Idee im Kopf, es irgendwann mal selbst zu können.
Heiko Nowicki
Nowicki sprach daraufhin seine Teamleiterin Barbara Sdunnus an. Gemeinsam mit
der Personalabteilung bei der BOGESTRA fiel die Entscheidung: Wenn die Kund*innen Gebärdensprache sprechen, dann lernt Kundenberater Nowicki eben
auch Gebärdensprache. Und ab ging’s zum Sprachkurs - dem DGS-Aufbaukurs I-III -
bei der Mülheimer Transignum Agentur für Gebärdensprachdolmetschen GbR. Die
Kosten hat die BOGESTRA übernommen. Nowicki stellt jetzt schließlich - in Persona - ein zusätzliches Angebot im Bereich Kundenservice dar.
In NRW leben laut dem statistischen Landesamt rund 280.000 hochgradig
schwerhörige und 12.000 gehörlose Menschen. Wenn sie mit Hörenden
kommunizieren wollen - dem Busfahrer, der Fahrkartenkontrolleurin oder anderen
Fahrgästen an einer Haltestelle - gibt es schnell Verständigungsprobleme. “Wenn
unsere Fahrer*innen wichtige Durchsagen machen, z. B. dass sich die Weiterfahrt
verzögert, dass das jetzt die Endhaltestelle ist oder ähnliches, ist es vermutlich
schwierig, das nachzuvollziehen”, sagt Nowicki.
Durch die Corona bedingte Maskenpflicht seien gehörlose Kunden aktuell besonders
aufgeschmissen, erzählt Nowicki. Diejenigen, die darauf angewiesen sind, die
Lippenbewegung ihres Gegenübers zu lesen, bleiben wegen der OP- und FFP2-
Masken oft ratlos zurück.
“Ich hatte - bevor Corona uns die Maskenpflicht einbrachte - etwa einen bis maximal
zwei persönliche Kontakte zu Gehörlosen innerhalb einer Woche”, sagt er. Dadurch,
dass die Kontaktaufnahme durch die Masken praktisch verhindert werde, reduzierten
sich auch seine Kontakte zu den hörgeschädigten Kund*innen. „Zurzeit tragen viele
unserer hörgeschädigten Kunden, aus einem Gefühl der Verantwortung (für sich und
andere Fahrgäste) eine Maske, obwohl sie und ihre Begleitpersonen von der
Tragepflicht entbunden sind!“
Zuvor habe er auch in der Bahn immer mal wieder gehörlose Fahrgäste
angesprochen und in Gebärdensprache ein Gespräch begonnen.
“Soweit, dass ich mich fließend unterhalten kann, bin ich leider noch nicht”, sagt
Nowicki. “Treffe ich auf hörgeschädigte Fahrgäste, meist in unseren Fahrzeugen,
dann läuft das Szenario folgendermaßen ab:
1. Ich sage Hallo …
2. Entschuldige mich für die Störung ….
3. Stelle mich vor und frage, wie der Fahrgast heißt …
4. Stelle klar, dass ich hören kann …
5. und frage mein Gegenüber ob er/sie ertaubt ist …
6. Erkläre, dass ich gerade dabei bin, die Gebärdensprache zu lernen …
7. Werde häufig danach gefragt, wo das stattfindet …
8. Ich antworte darauf, dass die Kurse in Mülheim stattfinden und wer
mein(e) Lehrer*in ist …”
Bisher seien alle Reaktionen durchweg positiv ausgefallen. “Wirklich sämtliche
hörgeschädigten Kunden haben sich hinterher für die „nette Unterhaltung“ bedankt.”
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