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„Mobilität ist mehr als Automobilität“

Während immer mehr europäische Metropolen auf emissionsarme Fahrzeuge sowie Fuß- und Radverkehr setzen, steigt in Deutschland die Zahl der neuzugelassenen Verbrenner. Tempo 30-Zonen und Fahrradstraßen werden zurückgenommen. Gegen die autozentrierte Mobilität in Deutschland äußerte sich jetzt auch ein Bündnis aus Verbänden und Gewerkschaften. Die Forderungen im Überblick.

Bild: Gemeinsames Positionspapier von ADFC, Allianz pro Schiene, Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG), IG Metall und Zukunft Fahrrad



Seit Anfang Dezember 2023 gilt in Amsterdam eine Höchstgeschwindigkeit von 30 km/h auf den meisten Straßen. Das Gedränge in der Stadt sei in den vergangenen Jahren immer größer geworden. Durch das neue Tempolimit erhoffe man sich mehr Verkehrssicherheit – und weniger Lärm. Frankreich hat zu Beginn des neuen Jahres eine zusätzliche Steuer für besonders schwere Fahrzeuge um. Das Ziel: umweltfreundlichere, kleinere Fahrzeuge zu fördern und die CO2-Emissionen zu reduzieren. In Norwegen sind aktuell mehr als 82 Prozent der zugelassenen Neuwagen emissionsfrei. Nur noch 3,7 Prozent haben einen Verbrennungsmotor, die übrigen Fahrzeuge haben einen Hybridantrieb.

Und in Deutschland? Die Zahl der neuzugelassenen PKW ist 2023 um 7,3 Prozent auf 2,84 Millionen gestiegen, wie das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) mitteilte. Den Löwenanteil unter den Neuzulassungen machen SUV mit 30 Prozent aus. Geh- und Radwege sind in vielen Kommunen vom Winterdienst ausgeschlossen und in Berlin will die amtierende CDU auf rund 30 Hauptstraßen der Hauptstadt das Tempo wieder 30 auf 50 km/h erhöhen.


Die Mobilität in Deutschland ist autozentriert. Auf dem Land gibt es häufig kaum bis keine Alternativen zum eigenen Pkw. In den Städten hat trotz gut ausgebautem Nahverkehrsangebot der Individualverkehr Vorrang. Das beklagt nun auch ein Bündnis aus IG Metall, Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG), Allianz pro Schiene, ADFC und Zukunft Fahrrad und fordert von der Bundesregierung eine an ökologischen, ökonomischen und sozialen Gesichtspunkten ausgerichtete Verkehrswende.

Genau ein Jahr nach dem Mobilitätsgipfel der Bundesregierung (zu dem vorrangig Vertreter:innnen der Automobilindustrie geladen waren) fordert das Bündnis in einem gemeinsamen Positionspapier mehr gemeinsachftliche Anstrengungen on Politik, Wirtschaft und der Gesellschaft, um die Verkehrswende Wirklichkeit werden zu lassen.

Das werde nicht leicht. Die notwendigen Änderungen – vom Antriebswechsel über Infrastrukturprojekte bis zur Stärkung klimaschonender Verkehrsformen – sorgen jedoch für bessere Luft, lebenswertere Städte und einen besseren Zugang zu Mobilität für alle Menschen. Zusätzlichen entstünden durch eine konsequent umgesetzte Verkehrswende neue Arbeitsplätze. Zum Beispiel in den Bereichen Batteriezellfertigung, Batterie-Recycling, Brennstoffzellentechnologie, Retrofitting und Softwareentwicklung. Zusätzlich werden Jobs in der Energieinfrastruktur, Speichertechnologie, Ladeinfrastruktur, Bahn- und Fahrradindustrie sowie im Straßenbau geschaffen.



Andere Prioritäten in der Verkehrspolitik setzen

Am Anfang müsse jedoch ein eindeutiges Bekenntnis zu neuen Prioritäten in der Verkehrspolitik stehen, sagte der EVG-Vorsitzende Martin Burkert. „Mobilität ist mehr als Automobilität. Autobahnen und Bundesstraßen hat Deutschland genug, Schienenstrecken und Radschnellwege zu wenig.“ Dieser neuen Priorisierung müsse anschließend eine andere Art der Finanzierung folgen.

„Es braucht einen verkehrsträgerübergreifenden Infrastrukturfonds nach Schweizer Vorbild, der für mehrere Jahre aufgestellt wird. Nur so gibt es eine sichere Finanzierungsgrundlage für die Verkehrswende.“

EVG-Vorsitzende Martin Burkert


Das Bündnis will, dass energieeffiziente und klimaschonende Fortbewegungsarten in Zukunft die Mobilität dominieren. Genannt werden der Schienenverkehr, öffentliche Verkehrsmittel und Radverkehr.


Entsprechend fordern die Verbände hinter dem Positionspapier eine Verdopplung der Investitionen in das Schienennetz und eine jährliche Investition von einer Milliarde Euro für den Ausbau von Radwegen. Allgemein müsse der Sanierungsstau in verschiedenen Verkehrsinfrastrukturen endlich angegangen werden. „Finanzmittel aus dem Neubau von Bundesfernstraßen müssen zur Gegenfinanzierung umgeschichtet und Steuern im Mobilitätsbereich neu ausgerichtet werden“, empfiehlt Dirk Flege, Geschäftsführer der Allianz pro Schiene.

Allgemein betont das Bündnis die Bedeutung von Umschichtungen und Anpassungen der Besteuerungselemente im Mobilitätsbereich: Die am wenigsten klimaschädlichen Verkehrsmittel müssten am stärksten gefördert werden.

 „Anreize werden auch durch eine vereinfachte Besteuerung geschaffen. Eine unkomplizierte Anwendung eines Mobilitätsbudgets im betrieblichen Kontext schafft Wahlfreiheit und fördert den Umstieg auf nachhaltige Verkehrsmittel abseits vom Dienstwagen.“

Elena Laidler-Zettelmeyer, Leitung Strategische Kooperationen bei Zukunft Fahrrad


Nicht nur der Individual-, auch der Güterverkehr solle in Zukunft multimodal und vor allem klimaneutral gestaltet sein. Eine Forderung aus dem Papier lautet, mehr Güter auf der Schiene zu transportieren, unterstützt durch batterieelektrische und H2 Brennstoffzellen-Lkw. Radlogistik, emissionsfreie Kleintransporter und öffentlicher Verkehr sollen auf der letzten Meile zum Einsatz kommen.


Mobilitätsgarantie nach Vorbild der Schweiz und Österreich

Die Forderungen nach mehr Geld für den Infrastrukturausbau und wenier Subventionen für Verkehrsmittel mit einem höheren CO-Ausstoß sind nicht neu. Wohl aber das im Papier formulierte Ziel einer flächendeckenden Mobilitätsgarantie, wie es sie in Österreich und der Schweiz bereits gibt.

„Das bedeutet Mindeststandards im ganzen Land und einen gesetzlichen Anspruch auf Mobilitätsdienstleistungen“, so Flege von der Allianz pro Schiene. Dafür brauche es verbesserte Angebote im Umweltverbund, ein Radwegenetz, unkomplizierte Ticketsysteme und mehr Personal im öffentlichen Verkehr.


„Die Verkehrswende ist auch eine Chance, dass vieles besser wird – ökologisch, ökonomisch und sozial.“

Dirk Flege, Geschäftsführer der Allianz pro Schiene







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