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“Wer sich in einem Team unwohl fühlt, kann nicht die beste Leistung bringen“

In der Automobilindustrie arbeiten nur Leute mit technischem Hintergrund? Das stimmt so nicht. Claudia Voigt ist Psychologin und war fast zehn Jahre lang in verschiedenen HR-Positionen für Volkswagen und Cariad tätig. Ihre Themen: die psychologische Sicherheit der Teams und die Begleitung des Wandels.


Von Ingenieur:innen und IT-Fachleuten über KfZ-Mechatroniker:innen und Nachhaltigkeitsprofis bis zu Designer:innen: In der Automobilindustrie finden sich unterschiedlichste Berufsfelder. Oft suchen die OEMs und ihre Zulieferer auch nach Qualifikationen und Berufsbildern, die nicht sofort mit dem Begriff "Automotive" in Verbindung gebracht werden. Die Psychologin Claudia Voigt beispielsweise hat fast zehn Jahre lang für Volkswagen und deren Software-Tochter CARIAD gearbeitet. „Ich wollte schon in der Schule Psychologie studieren. Ich wollte aber nie das klassische Therapeutenbild abbilden, weil ich mir nicht vorstellen konnte, frisch aus dem Studium in der Lage zu sein, Menschen mit Störungsbildern oder Suizidgedanken helfen zu können“, erzählt Claudia.

Ihr erstes Praktikum im Rahmen des Studiums machte sie in der Führungskräfteentwicklung bei Lufthansa Technik in Hamburg. Sie beschäftigte sich mit Führungskräfte-Rotationen an verschiedenen Standorten, welche Personen auf welche Jobs gesetzt werden sollten und welche Skills die Leute für die neue Rolle brauchen. Das machte ihr so viel Spaß, dass sie das Praktikum verlängerte. „Ich wollte gar nicht zurück an die Uni, sondern am liebsten da bleiben.“


Nach dem Studium fing sie bei Volkswagen ein internationales Trainee-Programm an, einfach „weil ich nach dem Studium wissen wollte, wie ein Wirtschaftsunternehmen funktioniert.“ Sie blieb auch danach bei VW und übernahm die Konzeption und Moderation diverser interner Assessments und Trainings, vor allem im Bereich der Führungs- und Managemententwicklung. Außerdem war sie für die Leadership-Lizenz im gesamten Konzern verantwortlich.

2017 absolvierte sie bei VW eine interne Coaching-Ausbildung. 2020 machte sie einen weiteren Schritt, indem sie eine externe anderthalbjährige Schulung hinzufügte und sich allmählich in diesem Bereich weiter entwickelte. Später erweiterte sie ihr Fachwissen durch eine Ausbildung zur Team-Entwicklungsspezialistin. Bei CARIAD, der Softwaretochter von VW, war Claudia im Bereich Team- und Führungskräfteeentwicklung tätig.

Für mich ist Coaching die beste Möglichkeit, meinen psychologischen Hintergrund und das, was ich in der Personalentwicklung gelernt und gemacht habe, miteinander zu verbinden, um Menschen bei ihrer Entwicklung zu helfen und sie zu begleiten.

Claudia Voigt, Business Coach


Der Beratungsbedarf in der Branche sei da. Die Automobilindustrie befindet sich inmitten tiefgreifender Transformationsprozesse. Sowohl der Übergang zu Elektrofahrzeugen als auch Sharing-Modelle und Auto-Abos verändern neben der klassischen Produktion auch die Anforderungen an Angestellte sowie die Art zu arbeiten. „Die Automobilbranche durchläuft gerade einen riesengroßen Wandel und eine große Transformation. Eine Begleitung und Unterstützung der Menschen, die mitten drin sitzen, ist absolut wünschenswert. Hier könnte auch noch mehr passieren“, bestätigt Claudia.


Psychologische Sicherheit und authentische Führungskräfte sind gefragt

Der Bedarf an Unterstützung variiere. „Einige sagen zum Beispiel: Mein Job fällt demnächst weg und ich habe verschiedene Optionen, die ich gerne einmal mit jemand Neutralem reflektieren möchte“, sagt Claudia. Diese Personen begleite sie dann in Einzelcoaching. Sie begleitet aber auch Teams, bei denen die Zusammenarbeit verbessert werden soll. Wahlweise, weil Teams neu zusammengestellt werden und sich erst einmal zusammenfinden müssen. Oder weil die Zusammenarbeit wegen Konflikten nicht rund läuft.

Eines ihrer Schwerpunktthemen sei die Psychologische Sicherheit in Teams und Unternehmen. Hier wenden sich häufig Führungskräfte an sie, deren Mitarbeitende sich beispielsweise nicht trauen, in großen Meetings etwas zu sagen, zu fragen, Kritik oder eigene Ideen einzubringen. Das Thema liege ihr deshalb so am Herzen, weil sie live miterlebt hat, was passiert, wenn die psychologische Sicherheit im Team fehlt und die Führungskraft dies nicht bemerkt: die Leute werden krank – und kündigen.

Auch wenn es nicht bis zur Kündigung komme: „Wenn sich jemand so unwohl fühlt im Team, kann er oder sie nicht die beste Leistung bringen“, ist Claudia überzeugt. Eine der wichtigsten Faktoren bei der psychologischen Sicherheit ist die Führungskraft. An ihr liegt es meistens, wenn die Mitarbeitenden sich sicher fühlen – oder nicht. „Wenn sie authentisch ist, auch Fehler zugibt, sich öffnet und Sorgen mit ihrem Team teilt, dann kann sich das Team auch öffnen.“


Ein Team, das sie zu diesem Thema begleitet, habe ein Problem mit der sogenannten Speak-up-Culture. Die Leute trauen sich nicht, in der großen Gruppe ihre Meinung zu sagen. Hier übe sie mit dem Team ganz konkret im geschützten Raum, sich zu verschiedenen Sachverhalten zu äußern. „So erfahren die Menschen: Ich werde nicht ausgelacht, ich werde nicht blöd angeguckt. Im Gegenteil. Manchmal sagen ja noch drei andere: Gott sei Dank, endlich fragt das jemand.“

Diese Sicherheit zurückzugewinnen sei ein langfristiger Prozess, erklärt Claudia. „Das geht nicht in zwei Stunden.“

Seit Juni 2023 ist Claudia selbstständig. Vor einem Jahr hätte sie sich das nicht vorstellen können. „Was für mich nach fast zehn Jahren im Konzern schwierig und ungewohnt ist, ist, dass ich kein Team mehr habe. Jetzt ist es nur noch “me, myself and I”. Das ist manchmal natürlich sehr einsam“, räumt sie ein. Auf der anderen Seite genieße sie die Freiheiten der Selbstständigkeit und dass sie nur für sich sorgen müsse.

An ihren Schwerpunktthemen und ihren Klient:innen habe sich durch den Schritt in die Selbstständigkeit aber wenig geändert, sagt sie. „Ich mache Business Coaching. Durch meine vorherige Karriere und Laufbahn sind einige meiner Kunden natürlich Individuen aus der Mobilitätsbranche.“


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