Wir brauchen gerechte Städte für alle
- womeninmobility
- 19. Mai
- 3 Min. Lesezeit
Paris plant autofreie Zonen, Wien setzt auf Citybikes mit Kindersitzen: Städte weltweit suchen nach Lösungen für lebenswertere Räume. Aber wie sieht sie aus, die perfekte Stadt für alle? Und wie erkennt man, wo es Schwachstellen im öffentlichen Raum gibt?

"Eine Stadt. Für alle. Warum feministische Stadtplanung essentiell für eine gerechte Stadt ist." : so sollte das WiM Panel auf der polisMOBILITY in Köln heißen. Auf der Bühne sollte es um die Themen Stadtplanung, Kommunikation, Sharing und feministische sowie queere Bedürfnisse in der Mobilität gehen. Die Messe wurde abgesagt, aber das Thema "Gerechte Stadt für alle" ist damit nicht vom Tisch.
Ende April fand in Köln das Symposium zur Chancengleichheit in der Raumentwicklung statt. Im Zentrum die Frage, wie sich eine "lebenswerte Stadt für vielfältige Nutzer*innengruppen" planen lässt. Eingeladen waren neben Architektinnen und Architekten und einer Gleichstellungsbeauftragen auch die Wiener Stadtbaudirektorin und Beauftragten für Gender Planning, Dr. Julia Girardi-Hoog. Sie stellte Konzepte wie Citybikes mit Kindersitzen und kompakte, aufblasbare Kindersitze für die Aktentasche vor - praktische Lösungen, die in Wien bereits umgesetzt werden und die Vereinbarkeit von Familie und städtischem Leben fördern.
Sicherheit und barrierefreiheit für alle
Im Workshop "Öffentlicher Raum für alle" mit Landschaftsarchitekt Stephan Lenzen und Katrin Witzel vom Stadtplanungsamt Köln wurden zentrale Aspekte einer zukunftsweisenden Stadtgestaltung diskutiert: Entsiegelung von Flächen, gendersensible Klimaanpassung, bessere Beleuchtung für mehr Sicherheit und barrierefreie Gestaltung öffentlicher Räume.
Lenzen hob Paris als Vorbild hervor, wo durch Verkehrsberuhigung und Begrünung eine spürbare Entschleunigung erreicht wurde.
Denn in Paris sollen die Autos aus der Innenstadt verschwinden. So wollen es die Menschen, die dort leben. Sie wünschen sich mehr mehr Grün in der Stadt und mehr Lebensqualität statt Autolärm, schlechter Luft und Stau. 500 Straßen sollen zu Fußgängerzonen umgewidmet werden. Die Stadt soll für Menschen sein, nicht für Autos.
In Wien liegt der Fokus der Stadtplaner:innen nicht nur auf der autofreien Stadt, sondern auf der gendergerechten Stadt: einer Stadt, in der sich Männer, Frauen, Kinder und alte Menschen gleichermaßen frei und sicher bewegen können. Was bis heute leider nicht der Fall ist, wie es auch die aktuelle Diskussion über reine Frauenabteile im Berliner ÖPNV zeigt.
Viele Frauen nehmen öffentliche Räume – besonders nach Einbruch der Dunkelheit – als potentiell unsicher wahr. Die Folge: Bestimmte Strecken, Parks oder Verkehrsmittel werden bewusst gemieden, Umwege in Kauf genommen. Ein weitläufiger, von dichten Büschen umgebener Park mag landschaftlich reizvoll sein – aus der Genderperspektive ist er nach Einbruch der Dunkelheit für Frauen oft eine No-Go-Area.
Der Gendered City Index: Schwachstellen in der Stadt entdecken
Dass sich auch das Mobilitätsverhalten von Männern und Frauen unterscheidet, hat mit dem biologischen Geschlecht nichts zu tun, wohl aber mit der sozialen Rolle: Frauen begleiten Kinder zur Schule, erledigen zwischendurch Einkäufe, schauen nach pflegebedürftigen Angehörigen und pendeln oft zu Teilzeitjobs. Frauen sind wesentlich häufiger zu Fuß unterwegs, nutzen öfter öffentliche Verkehrsmittel und legen insgesamt weniger Kilometer zurück als Männer. Das eigene Auto bleibt häufiger stehen, während Alltagswege im Nahbereich dominieren.
Ihre Mobilität ist getaktet, verschachtelt und multimodal – mit ganz eigenen Anforderungen, die in der konventionellen Stadtplanung bisher kaum Beachtung fanden. Diese strukturellen Unterschiede sind keine Randnotiz, sondern müssen ins Zentrum einer zeitgemäßen Stadt- und Verkehrsplanung rücken.
Genau hier setzt der Gendered City Index (GCI) an. Dieses Instrument macht die unsichtbaren Unterschiede im urbanen Raum endlich messbar. Er bewertet Städte systematisch nach Kriterien wie:
Fußgängerfreundlichkeit und Barrierefreiheit
Sicherheit im öffentlichen Raum zu allen Tageszeiten
Wirtschaftliche Teilhabemöglichkeiten
Zugang zu Gesundheits- und Versorgungseinrichtungen
Eine Facette des GCI ist der Gender Walkability Index. Er richtet den Fokus gezielt auf die Qualität des Zufußgehens und misst den Komfort und Beschaffenheit von Gehwegen, die direkte Erreichbarkeit wichtiger Alltagsziele, die Qualität der Beleuchtung und lokale Sicherheitslage sowie die soziale Atmosphäre und Belebtheit von Orten.
Stärken und Herausforderungen des Index'
In der Praxis nutzen Städte und Kommunen den CGI, um systematisch Schwachstellen im öffentlichen Raum zu identifizieren, konkrete Maßnahmen wie verbesserte Beleuchtung, barrierefreie Wege oder sichere öffentliche Toiletten zu priorisieren und Fortschritte in der urbanen Gleichstellung messbar und transparent zu machen.
Die besondere Stärke dieser Indizes liegt in ihrer Objektivität: Sie liefern eine fundierte Grundlage, um Maßnahmen nicht nur zu entwickeln, sondern auch deren Wirksamkeit kontinuierlich zu überprüfen. So werden Fortschritte messbar und politische Handlungsspielräume transparenter. Langfristig leisten sie so einen Beitrag dazu, den öffentlichen Raum gerechter zu gestalten und die Lebensqualität für alle spürbar zu verbessern.
Eine der größten Hürden in der Umsetzung des GCI ist allerdings die Verfügbarkeit aussagekräftiger, geschlechterdifferenzierter Daten. Viele Städte verfügen bislang nicht über die notwendige Datenbasis für eine fundierte Bewertung.
Hinzu kommt: Jede Stadt hat ihre eigenen strukturellen Besonderheiten und spezifischen Bedürfnisse. Der GCI muss entsprechend angepasst werden – ein Prozess, der methodisch anspruchsvoll und ressourcenintensiv ist.
Auch Eva Herr, Leiterin des Kölner Stadtplanungsamtes betonte, dass viele innovative Ideen an unklaren Zuständigkeiten und finanziellen Einschränkungen scheitern - im Gegensatz zu Wien habe Köln bei der gendergerechten Stadtplanung noch einen weiten Weg vor sich.
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