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“Wir versuchen in den Werkstätten eine größere Diversität zu verlangen”

Auch in Zeiten von Digitalisierung und hoher Automatisierung sind Handwerker*innen stark gefragt. Dieser Bedarf macht Handwerksberufe zu sicheren Jobs - sie werden nicht aussterben, sondern sich weiter entwickeln. In Deutschland kann man zwischen130 Handwerksberufen wählen, einige davon finden sich auch in der Mobilitätsbranche. Eins ist klar: Ohne Handwerk gibt es keine Verkehrswende.

Foto: Bianca Mössner, rnv

“Als Ausbildungsberufe bieten wir Elektroniker für Betriebstechnik, Kfz-Mechatroniker, Industriemechaniker und Tiefbaufacharbeiter mit Schwerpunkt Gleisbau. Duale Studiengänge haben wir für Bau- und Elektroingenieure und Mechatroniker”, listet Viktoria Felder, Referentin Personalmarketing bei Rhein-Neckar-Verkehr (rnv), die Optionen für Handwerk*innen in ihrem Unternehmen auf. Ihre Kollegin Bianca Mössner, Leiterin Schienenfahrzeuge Betriebswerkstätten, ergänzt: “In der Werkstatt kümmern wir uns vor allem um die Wartung und Instandhaltung unserer Fahrzeuge und übernehmen gerne unsere Azubis. Hier arbeiten Mechaniker, Elektriker oder Lackierer. In unserer Schwerpunktwerkstatt sind es weiterhin Schreiner, Klebefachkräfte, Schweißer oder Zerspannungsmechaniker, die die Unterflurdrehmaschine bedienen. In der Buswerkstatt arbeiten weitere Kollegen im Kfz-Bereich.”


“Keine Elektromobilität ohne Handwerk!”


Im Individualverkehr ist die Vielfalt an Tätigkeiten nicht kleiner - und im Hinblick auf die Verkehrswende nehmen die Handwerksberufe an Bedeutung zu:


“Keine Elektromobilität ohne Handwerk! Die Kraftfahrzeugmechatroniker*innen bieten nach dem Kauf auch Service und Reparatur für die Elektrofahrzeuge. Zweiradmechaniker*innen sind die Experten für Verkauf und Wartung auf dem E-Bikes- und E-Lastenräder-Markt. Fahrradmonteur*innen fertigen auf Wunsch auch individuelle Modelle”

Carsten Benke, Referatsleiter Abteilung Wirtschaft, Energie und Umwelt von Zentralverband des Deutschen Handwerks.


Das nächste, nicht weniger wichtige Thema, ist die Ladeinfrastruktur. “Elektroniker*innen der Fachrichtung Energie- und Gebäudetechnik sorgen dafür, dass die notwendigen Ladeinfrastrukturen konzipiert, errichtet und professionell an die Gebäudeelektronik angeschlossen werden”, sagt Carsten Benke, Referatsleiter Abteilung Wirtschaft, Energie und Umwelt von Zentralverband des Deutschen Handwerks.

Abgesehen vom Thema E-Mobilität bauen Straßenbauer*innen sichere Fuß- und Radwege, was ebenso ein komplexes Projekt mit weiteren beteiligten Parteien ist, wie Carsten Benke erklärt: “Hochwertige öffentliche Räume wie Fußgängerzonen in historischen Umfeldern, benötigen zudem die Expertise von Steinmetz*innen, Steinbildhauer*innen und Naturwerksteinmechaniker*innen, um moderne Verkehrsansprüche auch denkmalgerecht auszuführen. Das Handwerk arbeitet bei allen Maßnahmen im öffentlichen Raum eng mit den Kollegen des Garten- und Landschaftsbaus zusammen.”


Flexibilität gefragt, auf beiden Seiten


Es werden nicht nur neue Berufe geschaffen, sondern auch die bestehenden weiterentwickelt. Erstmal geht es vor allem um die Digitalisierung der Prozesse und Abläufe. Bei rnv sind die Werkstattmitarbeiter mit iPads ausgerüstet, damit sie bei nstandhaltungs-Checklisten oder Reparaturanleitungen kein Papier mehr brauchen. Auch Fahrer*innen melden Störungen elektronisch, sodass sie in der Werkstatt gleich sichtbar sind und Werkstattmitarbeiter den Auftrag digital weiter bearbeiten können. “Allerdings läuft es noch parallel mit Papier - wir müssen den Kollegen, die lange nur mit Papier und Stift arbeiten, die Scheu nehmen. Die älteren Kollegen können bei den jüngeren sehen, dass es viel schneller und einfacher geht und dann probieren sie es selber aus. Es kommt besser an, als erwartet”, beobachtet Bianca Mössner.

Wenn man die Art der Werkstatttätigkeiten betrachtet, sieht es in einer absehbaren Zeit nicht so aus, als ob die Tätigkeiten vollständig automatisiert und die Menschen durch Roboter ersetzt werden können.


Die IT-Affinität ist aber auf jeden Fall verlangt. Sonst braucht man in der Regel für die Ausbildungsstellen, außer qualifizierten Schulabschluss, keine speziellen Vorkenntnisse.



Um für die Handwerksjobs zu begeistern, betonen wir Themen wie sicherer Arbeitsplatz, Teil der Verkehrswende, Zukunft mitgestalten, Umweltbewusstsein. Hier können wir super mithalten.

Viktoria Felder, Personalmarketing, rnv




Viel wichtiger sind Eigenschaften wie Zuverlässigkeit, Teamfähigkeit, Selbständigkeit und Flexibilität, zumindest bei rnv. Mitarbeiter*innen arbeiten teilweise in kleinen Teams, ohne Führungskraft und im Schichtdienst. Vor allem am letzten Punkt bemüht sich das Verkehrsunternehmen den Mitarbeitern, wenn möglich, entgegenzukommen. Das gilt vor allem für die Eltern, die nicht im Schichtbetrieb oder Teilzeit arbeiten. Sie tauschen die Kolleg*innen zwischen Werkstätten und Abteilungen und versuchen, die Arbeitszeiten anzupassen.

Ein anderes Thema im Zusammenhang mit Flexibilität ist Schwangerschaft: “Schwangere Frauen werden gar nicht in der Werkstatt arbeiten. In diesem Zeitraum versuchen wir sehr individuell, je nach Möglichkeiten, Interesse und Qualifikation eine andere Alternative zu finden. Zum Beispiel unterstützen die Kolleginnen im Technischen Büro. Da es nur eine Handvoll Fälle sind, finden wir für jede persönlich etwas,” beschreibt Bianca Mössner die Situation.


Social Media gegen Fachkräftemangel

Eine Handvoll heißt bei rnv 22 Frauen von insgesamt 422 Mitarbeitenden in gewerblich/technischen Berufen und 4 weibliche Azubis in technischen Berufen aus insgesamt 50. Die Referentin Personalmarketing Viktoria Felder gibt zu, dass es hier noch Luft nach oben gibt. Sie sieht allerdings, dass ihre Kampagnen, die die Vielfältigkeit der Berufe und Mitarbeiter im Verkehrsunternehmen hervorheben, auch das Interesse von Frauen geweckt haben. Auch wenn sie nicht nur an Frauen gerichtet sind, sondern vor allem dem Fachkräftemängel gegensteuern sollen.


Die Fluktuation ist nämlich so hoch wie nie zuvor. Weil Kollegen auf Grund von Alter ausscheiden, oder wegen der Entlohnung wechseln. Der öffentliche Dienst kann beim Thema Vergütung nicht immer mithalten. “Wir präsentieren uns erstmal als Unternehmen, wir sind nicht nur Busse und Bahn, sondern auch die großen Werkstätte, der große Verwaltungsbereich, vielfältiges Unternehmen mit tollen Einstiegsmöglichkeiten...” sagt Viktoria Felder.

Um die Hemmschwelle für die Werkstatt-Jobs zu senken, organisieren sie regelmäßig den Tag der offenen Türen mit einer Werkstattführung. Um Werbung für Frauen in technischen und Handwerksberufen arbeiten sie mit Role Models. Sie lassen Kolleginnen zu Wort kommen oder veröffentlichen lustige Reels, wo sie Vorurteile ansprechen. Im April sind sie am Girls’ Day beteiligt. “Das nimmt Angst und zeigt, es läuft auch mit den männlichen Kollegen,” ergänzt Viktoria Felder.


Karriereleiter und extra Urlaub

Für aktuelle Mitarbeiter gibt es gemäß dem Demografie-Tarifvertrag zum Beispiel zusätzliche Urlaubstage mit geringerer Gehaltsumwandlung. Ab Ende 50 kann es viel ausmachen, auch bis zu 90 Tage. “WIr versuchen unsere Mitarbeiter zu behalten und die Guten zu fordern.” so Bianca Mössner. So kann man sich auch im Handwerk weiterbilden und durch weitere Qualifikationen “Karriere machen”, mit mehr Verantwortung und Entlohnung. Führungsjobs sind durch den Aufstieg zum Meister möglich; außerdem gibt es Weiterbildungsschancen für die Spezialisten-Berufe.


“Grundsätzlich versuchen wir in den Werkstätten eine größere Diversität zu verlangen, nicht nur aus der Not. Wenn wir nicht nach älteren Mitarbeiter suchen, nach Frauen, nach Mitarbeitern, die in Teilzeit arbeiten oder nicht so gute Sprachkenntnisse haben, wenn wir diese Gruppen von vorne ausschließen, bleibt nur eine ganz kleine Menge übrig und wir werden uns selbst sehr ausgrenzen. Dadurch ist jeder bei uns willkommen." schließt Bianca Mössner das Gespräch.

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