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„Wir wollen das mit der Inklusion ordentlich machen“

Blindenleitsysteme und blindenfreundliche Ampeln helfen sehbehinderten Menschen, sich im öffentlichen Raum zurecht zu finden. Innerhalb öffentlicher Gebäude wird es mit den Orientierungshilfen oft schon schwieriger. Ein Museum in Mettmann macht vor, wie es besser geht.


Fotos: Projekt NMsee


Museen, in denen sich Menschen Exponate und Bilder per Audiokommentar erklären lassen können, gibt es viele. Auch Ausstellungsstücke zum Anfassen sind nichts Ungewöhnliches. Das ist nicht nur gut für Menschen, die eine andere Muttersprache als deutsch sprechen oder Kunst im Wortsinne begreifen wollen. Es ermöglicht auch Menschen mit einer Sehbehinderung einen Museumsbesuch. Jedenfalls dann, wenn eine Begleitperson ihnen hilft, die Tastexponate im Museum zu finden oder dem Rundweg durch die Ausstellung zu folgen. „Deshalb haben wir uns 2017 gesagt: Wir wollen das mit der Inklusion ordentlich machen. Die Leute sollen sich im Museum frei bewegen und selbstbestimmt orientieren können“, sagt Anna Riethus. Sie leitet das Forschungsprojekt NMsee am Neanderthal Museum in Mettmann.

 

Anna Riethus ist wissenschaftliche Leiterin des Forschungsprojekts „NMsee“. Im Neanderthal Museum in Mettmann untersuchte die Archäologin, wie sich archäologische Museen mithilfe von Smartphone-Apps für Menschen mit Sehbehinderung inklusiver gestalten lassen. Ihr Projekt ist eine Zusammenarbeit vom Blinden- und Sehbehindertenverband Nordrhein und dem Museum. Ermöglicht wird das neue Game mit Fördermitteln der Stiftung Wohlfahrtspflege und der Kämpgen Stiftung.

 

„Wir arbeiten viel mit dem Blinden- und Sehbehindertenverband in Mettmann zusammen und haben dort und bei Menschen mit Sehbehinderung nachgefragt: Welche Anforderungen müssen wir erfüllen, damit sich Menschen mit Sehbehinderung hier frei bewegen und eine Ausstellung erfahren können“, beschreibt sie die Idee hinter dem Projekt.


Hörspiel trifft Navigationssysteme

Nachdem die Anforderungen feststanden, ging es an die Umsetzung: diese musste sich natürlich in das Museum integrieren lassen, sollte praktikabel und vor allem einfach zu bedienen sein. „Wir haben uns gefragt: Womit können die Leute umgehen, was sind sie gewohnt, was haben sie immer dabei?“, sagt Riethus. Die Antwort: das Smartphone.


Seit 2019 entwickelten sie und ihr Team deshalb ein inklusives Mobile Game für’s Handy, das Menschen mit (und ohne) Sehbehinderung ein ganzheitliches Museums-Erlebnis bieten soll. Dafür orientierte sich die Archäologin an sogenannten Audio-Adventure-Games wie Sound of Magic, bei denen sich Spieler durch Gesten, Informationen und Dialoge ein Hörspiel erschließen. Im Falle des Projekts NMsee führt das Spiel die Besucher auf eine Reise in die Eiszeit.

Blindenleitsysteme auf dem Boden, Tast-Exponate, Schilder zum Anfassen und eine Navigations-Funktion begleiten die Gäste durch die Ausstellung.


Damit Leitsysteme, Exponate und die Handlung des Spiels perfekt ineinandergreifen, wurde iterativ gearbeitet. „Wir haben einen Prototyp aufgebaut und das immer wieder von Betroffenen testen lassen, ob das funktioniert: Wir haben mit den Leuten zum Beispiel eine Art Pen & Paper gespielt, um herauszufinden, ob unsere Ideen überhaupt funktioniert, tastbare Karton-Tafeln aufgestellt, ich habe mit Kronkorken Aufmerksamkeitsfelder auf den Boden geklebt…“

Jeder Schritt, jede Erzählung, jedes Exponat wurden vor Ort mit Menschen mit Sehbehinderung getestet. Entsprechend hat die Covid-Pandemie auch der Entwicklung des Projekts NMsee zunächst einen Strich durch die Rechnung gemacht.


Die App zum Museumsbesuch für Android und iOS

Ende Januar 2021 war die App so gut wie fertig, die meisten Leitsysteme vorhanden, alle Exponate an Ort und Stelle. Es fehlte nur noch die letzte Testphase. „Wir können nicht digital mit sehbehinderten Menschen ausprobieren, ob sie sich bei uns vor Ort im Museum orientieren können, das geht nicht", sagt Riethus.

Die letzten Evaluierungen konnten dann im März stattfinden. Seit dem 13. April steht „Neanderthal: Memories“ kostenlos im App-Store für Android und i.OS zur Verfügung. Die ersten Besucher konnten den interaktiven Museumsbesuch bereits ausprobieren.

Sobald die Inzidenzzahl in Mettmann wieder stabil bei beziehungsweise unter 100 liegt, können weitere Menschen die interaktive und inklusive Ausstellung im Museum Neanderthal besuchen. Anschließend werden ein Projektbericht und eine Promotion an der Universität Heidelberg mit den Evaluierungsergebnisse und den Erfahrungen aus dem Projekt veröffentlicht. Damit sich auch andere öffentliche Orte inklusiver gestalten können.

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