Am 28. Februar öffnet die Aurelia Academy ihre Türen. Sie ist die erste Leadership-Academy, die sich speziell an weibliche Führungskräfte in der Automobilindustrie richtet. Dort werden Frauen mit den notwendigen Werkzeugen ausgestattet, um die Automobilkonzerne der Zukunft mitzugestalten. Wir haben mit den Gründerinnen Dr. Angelika Berger-Sodian und Dr. Julia E. Saini gesprochen.
Es gibt ein Phänomen, das besonders in männerdominierten Branchen vorkommt: Nach zehn bis 15 Jahren im Beruf verlassen Frauen die Industrie. Weil sie wahlweise an die gläserne Decke stoßen oder ihnen nur typisch weibliche Karrieren offen stehen. Das möchten die Gründerinnen der Aurelia Academy, beides erfahrene Führungskräfte aus der Automobilindustrie, ändern. „Unser Motto ist: Don’t follow the beaten path, find your own one”, sagt Mitgründerin und COO Dr. Julia E. Saini.
Die Aurelia Academy bietet ein sechswöchiges Online-Programm namens "Female Leadership in Mobility: Empowering Tomorrow's Leaders" inclusive Networking-Veranstaltungen an. In diesem Programm durchlaufen insgesamt 80 Frauen, aufgeteilt auf fünf Kohorten, zwölf interaktive Sessions, die jeweils anderthalb bis zwei Stunden dauern. Das Curriculum besteht aus drei Modulen, die aufeinander aufbauen. Das erste Modul "Growing Personally" konzentriert sich auf die persönliche Entwicklung der Teilnehmerinnen. Im zweiten Modul geht es um den Aufbau und die Leitung zukunftsfähiger Unternehmen in der Automobilindustrie, während das dritte Modul sich darauf konzentriert, Trends in der Branche besser zu verstehen und zu adaptieren.
„Unser gesamtes Programm fußt darauf, dass wir mit den Führungskräften der nächsten Generation das richtige Mindset entwickeln, um die Automobilunternehmen zukunftsfähig zu gestalten. Unsere Grundaussage ist: wenn ihr mit der richtigen Linse auf Themen schaut und einen gewissen Fokus setzt, werdet ihr mit der Zeit automatisch die benötigten Skills entwickeln“, erläutert Gründerin und CEO Dr. Angelika Berger-Sodian.
Das Programm richtet sich an Frauen mit 10 bis 15 Jahren Berufserfahrung in der Automobilindustrie. Jene, die bereits gute und schlechte Erfahrungen in der Branche gesammelt haben und sich weiterentwickeln wollen. Sie lernen in dem mehrwöchigen Programm von der Erfahrung – und auch aus den Fehlern – von erfahrenen weiblichen Führungskräften aus der Industrie. Die Referentinnen kommen von Konzernen wie Skoda, Bosch, McKinsey, Autodoc, Mobilize, DHL, Google Automotive und sprechen sowohl über persönliche Entwicklung aber auch über Themen wie künstliche Intelligenz in der Automobilindustrie. „Alle unsere Speakerinnen haben 20 oder mehr Jahre Erfahrung in dieser Industrie, haben einiges durch gemacht und erlebt und können sehr wertvolle Erfahrungen weitergeben“, sagt Angelika.
Ich habe meine Karriere in der Automobilindustrie vor mehr als 20 Jahren bei Magna Steyr Fahrzeugtechnik im Bereich Personalentwicklung begonnen. Darüber kam ich in den Kontakt mit Leadership Frameworks. Für Aurelia Academy haben wir nun unser eigenes leadership framework entwickelt. Das erste, das nicht nur auf unserer Industrie, sondern die persönlichen Spezifika des zukunftsorientierten Führens zugeschnitten ist. Ich bin promovierte Betriebswirtin und bin mein gesamtes Berufsleben im internationalen Umfeld der Automobilindustrie tätig gewesen, aber in meinem tiefsten Herzen bin ich Organisationsentwicklerin geblieben. Das hat mir in meiner Führungsarbeit immer sehr geholfen.
Dr. Angelika Berger-Sodian, Mitgründerin und CEO von Aurelia Academy
Die Aurelia Academy sei kein Trainingsprogramm, bei dem die Teilnehmerinnen die wichtigsten 50 Skills für angehende Führungskräfte vermittelt bekommen, wie Angelika betont. Durch den Austausch mit und das Lernen von erfahrenen Frauen aus der Branche sollten sie viel mehr ermutigt werden, ihren eigenen Weg zu gehen, mutig und authentisch zu sein und auch Gegenwind auszuhalten. Vermittelt wird außerdem die Wichtigkeit des Aufbaus einer Personal Brand. Das Netzwerk zu Expertinnen aus der Branche gibt es gratis obendrauf. Beide Gründerinnen sagen von sich, dass sie eine Weiterbildung und ein Netzwerk, wie es die Aurelia Academy bietet, gut hätten brauchen können, als sie ihre ersten Schritte auf der Karriereleiter machten.
Wir Frauen denken ja gerne, wenn wir brav arbeiten und fleißig sind, wird das schon eines Tages jemand sehen und dann werden wir befördert. Aber das ist nicht so. Deshalb müssen Frauen mit ihrer Expertise sichtbar werden. In dem sie Interviews geben, auf Panels gehen oder auch online ihre fachliche Meinung abgeben. Genau das wollen wir vermitteln: Sei offen, sei mutig und geh neue Wege. Außerdem geht es um Resilienz. Niemand kann in die Zukunft schauen und weiß wie sich die Welt entwickelt. Deshalb brauchen Führungskräfte die Fähigkeit, sich im positiven Sinne an Veränderungen anzupassen.
Dr. Julia E. Saini, Mitgründerin und COO von Aurelia Academy
Von gut vernetzten Expertinnen profitierten nicht nur die Teilnehmerinnen, sondern letztlich auch die Industrie, weil diverse Teams schlicht bessere Produkte entwickeln, sagt Julia. Im Automotive-Sektor seien Teams allerdings weiterhin überwiegend männlich besetzt. Vor allem in den oberen Hierarchieebenen. „Wenn man sich die Vorstände und die Geschäftsführer der Automobilindustrie anschaut, erinnert das ein bisschen an den Film „12 Angry Men“ (Die zwölf Geschworenen): Es sitzen 12 mittelalte weiße Männer an einem Tisch, die die Gesellschaft repräsentieren sollen. Das ist heutzutage anachronistisch. Und dennoch…“
Männer und Frauen gleichermaßen in die oberen Etagen der Produktentwicklung, des Engineerings und ins Marketing zu bringen, sei allerdings leichter gesagt als getan, so Julia. Viele Frauen würden nach 15 Jahren im Beruf die Industrie verlassen oder sich nur in vorgegebenen Bahnen entwickeln, weil ihnen vermittelt werde, dass Frauen, die erfolgreich sein wollen, dass am besten auf eine bestimmte Weise tun. Darüber gehe der Branche wahnsinnig viel Kreativität und Potenzial verloren. So sei zum Beispiel der Einkauf kein Bereich, in dem Frauen in der Branche typischerweise Karriere machten. Dabei sei das Procurement hoch interessant.
Medienpartnerschaften mit der Automobilwoche und Spencer Stuart
Die Idee für die Academy habe Angelika schon länger gehabt. Bei Julia ist sie damit offene Türen eingerannt. „Wir wollen die Akademie für weibliche Führungskräfte in der Automobilindustrie sein. Das ist das klare Ziel. Wir sind ein Startup und wir wollen uns Schritt für Schritt entwickeln“, sagt Angelika. Ihr kleines Team entwickeln die beiden Schritt für Schritt. Aktuell arbeiten sie viel mit Freelancer:innen, die sie in den Bereichen Brand, Website und Social Media unterschützen. Aktuell suchen die beiden noch eine Office Managerin oder einen Office Manager, der das Team erweitert.
Was sie auf jeden Fall haben, ist einen starken Partner aus der Branche: die Fachzeitschrift Automobilwoche. Vergangenen Frühling war Angelika Keynote-Speakerin auf dem ersten Women’s Leadership Day, den die Automobilwoche veranstaltete. Im Herbst sei sie dann auf der IAA beim Empfang der Automobilwoche auf deren Führungsteam zugegangen und habe gesagt: „Ich habe eine neue Idee. Das ist noch in einem frühen Stadium, aber ich sehe darin großes Potenzial und ich glaube, das wird fliegen. Ich möchte gemeinsam mit meiner Kollegin eine Leadership Academy für weibliche Führungskräfte in unserer Industrie aufsetzen, habt ihr Interesse?“
Daraus entstanden ist eine strategische Kooperation, von der auch die Teilnehmerinnen profitieren: die Live Networking-Events werden an den Vorabenden der Automobilwoche-Kongresse wie beispielsweise dem zweiten Women’s Leadership Day im Mai stattfinden. Dort können die Teilnehmerinnen nicht nur untereinander, sondern auch mit vielen anderen Frauen aus der Branche netzwerken.
Durch die Kooperation mit der Automobilwoche liege der Fokus der Aurelia Academy zunächst auf der DACH-Region und Europa, zukünftig will die Academy aber auch international weibliche Führungskräfte ansprechen. „Wir sind noch lange nicht fertig, wir haben ganz große Pläne“, sagt Julia.“ Ihr geografischer Fokus liegt auf Middle East, Angelikas Herz schlägt für Asien. Beides wichtige Märkte für die Automobilindustrie. Und beides Märkte, in denen Frauen von dem Angebot von Aurelia profitieren können.
Es heißt zwar immer: You can have it all, aber wir haben glaube ich mittlerweile alle gelernt: You can’t have it all. Im Middle East gibt es ambitionierte 2030 Visionen, die jetzt Frauen in Führungspositionen sehen will. Ein lobenswertes Ziel. Doch auf einmal wird von den Frauen erwartet, dass sie die perfekte Ehe- und Hausfrau, die perfekte Mutter und Tochter, die perfekte Schwester und jetzt auch noch die perfekte Karrierefrau sein müssen. Das kenne wir selbst allzu gut. Damit wollen wir sie nicht allein lassen.
Dr. Julia E. Saini, Mitgründerin und COO von Aurelia Academy
Die erste Kohorte der Ausbildung, die am 28. Februar beginnt, ist komplett ausgebucht. „Wir haben eine sehr bunte Mischung an Teilnehmerinnen, die u.a. von Skoda, Hyundai, Google Automotive, Quantron, Prewave oder Audi kommen. Es sind aber auch eher untypischen Player wie Topcon vertreten, die über das Thema Autonomes Fahren mit ihren Sensoren in die Mobilitätsindustrie einsteigen“, sagt Angelika. Ausgewählt haben sie und Julia die 16 Teilnehmerinnen gemeinsam mit Vertreter:innen der Automobilwoche und des zweiten strategischen Partners der Aurelia Academy, der Führungskräftevermittlung Spencer Stuart. Letzterer unterstützt das Programm allen voran in den Bereichen Leadership Assessment und Advisory.
Bei der Auswahl habe man auf einen guten Mix an Motivation, Unternehmen und Hintergründen der Teilnehmerinnen geachtet, damit spannende Diskussionen entstehen und der Wandel der Industrie sichtbar werde.
Die nächste Kohorte startet am 10. April 2024. Interessierte können sich hier bewerben.
Comments