Mareike Rehl, Vorstandsreferentin mit dem Schwerpunkt Nachhaltigkeit, Klimaschutz und Energie bei der Freiburger Verkehrs AG (VAG), und Franziska Hammer, Referentin für das Nachhaltigkeitsmanagement und Reporting bei der Stadtwerke Verkehrsgesellschaft Frankfurt am Main mbH im Interview über die Relevanz von Nachhaltigkeitsmanagement für Unternehmen.
Klimawandel, Knappheit natürlicher Ressourcen, wachsende gesellschaftliche Ansprüche: Der Bedarf nach einer nachhaltigen Transformation unserer Umwelt und Gesellschaft ist wichtiger denn je. Der Begriff „nachhaltige Entwicklung“ wurde von den Vereinten Nationen bedeutend geprägt. Sie definierten eine nachhaltige Entwicklung als eine Entwicklung, die die Bedürfnisse jetziger Generationen befriedigt, ohne die Bedürfnisse zukünftiger Generationen zu gefährden – sie soll ein gutes Leben für alle sicherstellen. Dabei ist es bedeutend, die drei Dimensionen der Nachhaltigkeit – wirtschaftliche Effizienz, Soziale Gerechtigkeit und Ökologische Tragfähigkeit – gleichberechtigt zu betrachten. Mit der Agenda 2023 der Vereinten Nationen und ihren 17 Sustainable Development Goals (SDGs) wurde die nachhaltige Entwicklung zum globalen Leitprinzip.
Als kommunale und energieintensive Unternehmen der öffentlichen Daseinsvorsorge müssen sich Verkehrsdienstleister der besonderen unternehmerischen Verantwortung stellen, einen Beitrag zu einer Nachhaltigen Entwicklung zu leisten. Darüber hinaus steigt der Handlungsdruck durch wachsende regulatorische Vorschriften wie dem deutschen Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) und der Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD).
Viele Unternehmen bemühen sich dennoch nur zögerlich um eine nachhaltige Entwicklung in ihrem Unternehmen. Die Erfüllung der gesetzlichen Anforderungen wird oft dezentral in den Fachabteilungen neben dem Alltagsgeschäft organisiert. Viele Unternehmen haben noch keine klar definierte Nachhaltigkeitsstrategie und eine bereichsübergreifende Zusammenarbeit findet noch unzureichend statt. Hier kommt ein zentrales Nachhaltigkeitsmanagement und nachhaltiges Leadership in Unternehmen ins Spiel, um eine nachhaltige Transformation strukturell im Unternehmen zu verankern und den erforderlichen Veränderungsprozess aktiv voranzutreiben.
Women in Mobility: Was ist der Unterschied zwischen Nachhaltigkeitsmanagement und nachhaltiges Management bzw. Leadership?
Mareike Rehl: Nachhaltigkeitsmanagement ist die Aufgabe einer einzelnen Person oder Abteilung, die die Nachhaltigkeitsaktivitäten im Unternehmen koordinieren. Nachhaltiges Management bzw. Leadership ist die Aufgabe aller und jeder Abteilung. Erst durch nachhaltiges Leadership ist es möglich, Nachhaltigkeit im Gesamtunternehmen und vor allen in der Unternehmensstrategie zu verankern.
Was war deine Motivation für einen Berufseinstieg im Nachhaltigkeitsmanagement?
Franziska Hammer: Seit einigen Jahren ist das Thema Nachhaltigkeit ein Herzensanliegen von mir und beschäftige mich damit, wie ich meinen Alltag Schritt für Schritt nachhaltiger gestalten kann – sei es durch ehrenamtliches Engagement oder einen minimalistischen Lebensstil. Deshalb habe ich mich dazu entschieden, mich im Rahmen eines Masterstudiums im Bereich Risk Assessment and Sustainability Management (RASUM) an der Hochschule Darmstadt tiefergehend weiterzubilden und mich zu einem Berufseinstieg im Nachhaltigkeitsmanagement zu befähigen.
Vor meinem Masterstudium habe ich Wirtschaftsingenieurwesen studiert. Diese interdisziplinäre Ausrichtung passt gut zu den heutigen Nachhaltigkeitsanforderungen, denn Nachhaltigkeit ist ein großes Themenfeld mit vielen Facetten. Für mich ist Nachhaltigkeit kein Zielzustand, sondern ein kontinuierlicher Verbesserungsprozess. Das ist für mich das tolle an meinem Job – es wird nie langweilig und es kommen immer neue Themen hinzu.
Was antwortest du Kritiker:innen, die sagen, dass es kein Nachhaltigkeitsmanagement braucht und das Thema Nachhaltigkeit dezentral in den Abteilungen umgesetzt werden kann?
Franziska: Genau hier sehe ich das Problem, Nachhaltigkeit bleibt oft ein Thema in spezifischen Unternehmensbereichen, ohne das Gesamtunternehmen zu durchdringen. Für eine nachhaltige Transformation in Unternehmen braucht es ein Nachhaltigkeitsmanagement, das alle Nachhaltigkeitsaktivitäten im Unternehmen zentral koordiniert und an die richtigen Stellen kommuniziert. Parallel dazu braucht es Führungskräfte und Fachkräfte, die als „Change Agents“ agieren und das Thema Nachhaltigkeit authentisch vorleben und in die Abteilungen tragen. Nachhaltigkeit darf nicht wie bisher ein Nice-to-have sein, es muss vielmehr ein Must-have sein.
Mareike, welche Erfahrungen hast du in Bezug auf die Umsetzung von nachhaltigen Projekten gemacht?
Mareike: Franziska hat es bereits beschrieben, die Gesellschaft, die Unternehmen und somit auch die Mobilitätsbranche befindet sich derzeit in einer nachhaltigen Transformation. Ich selbst arbeite seit knapp 11 Jahren als Expertin in dem Bereich Nachhaltigkeit, Klimaschutz und Energie und habe in den letzten Jahren festgestellt, dass Nachhaltigkeitsmanager:innen vor der großen Herausforderung stehen ihre Projekte umzusetzen. Wir brauchen unbedingt in der Mobilitätsbranche Führungskräfte und Mitarbeitende die Kompetenzen haben, die weit über das Management von Projekten hinausgeht. Nachhaltige Entwicklung ist sehr komplex, viele Stakeholder sind an verschiedenen Prozessen beteiligt und Nachhaltigkeitsmanager:innen sind oftmals als Einzelkämpferinnen und -kämpfer in den Unternehmen verankert und verfügen somit über wenig Ressourcen, heißt schlussendlich nur über ein nachhaltiges Leadership kann nachhaltige Entwicklung umgesetzt werden.
Nachhaltiges Leadship heißt also Projekte zu steuern?
Mareike: Oftmals viel mehr als das. Nachhaltigkeit lässt sich in den Unternehmern nicht auf einfache Prozesse reduzieren. Als Nachhaltigkeitsmanager:in muss man lernen, hinter der eigenen Idee zu stehen und für das eigene Thema zu begeistern. Wichtig ist es auch im eigenen Unternehmen und darüber hinaus ein breitgefächtertes Netzwerk aufzubauen und UnterstützerInnen für das Thema Nachhaltigkeit zu finden, hier eignet sich eine praktische Netzwerkanlyse. Ich visualisiere sehr gerne in einer Mindmap, welche Untersützer:innen und Gegner:innen es gibt und welche Argumente für oder gegen ein Projekt genannt werden, das gibt mir Sicherheit meine nachhaltigen Projekte argumentativ zu vertreten. Möchte ich Projekte umsetzen, muss ich unbedingt die Anforderungen der Bereiche kennen, um gemeinsam einfache Lösungen zu entwickeln, gerne mit einem Usability Test, um aus Fehler lernen zu können. Häufig stelle ich fest, dass ich erst, wenn ich die „Sprache der Kolleginnen und Kollegen“ kenne und wirklich auf Augenhöhe kommuniziere, das Interesse wecke. Das alles ist also mehr als reine Steuerung!
Wie können Führungskräfte nachhaltiges Leadership umsetzen?
Mareike: Sicher ist es wichtig sich zu fragen, wie wir in der Mobilitätsbranche eine nachhaltige Transformation effizient und ressourcenschonend positionieren und umsetzen können. Eine partizipative und kooperative Führung ist definitiv eine effektive Möglichkeit schneller voranzukommen und eine breite Akzeptanz für ein nachhaltiges Projekt zu erreichen.
Franziska: Das ist auch meine Erfahrung. Führungskräfte müssen Verantwortung abgeben und eigenverantwortliches Arbeiten im Team stärken. Dies beschleunigt erheblich die Umsetzung nachhaltiger Projekte und Mitarbeitende fühlen sich so als Teil der Lösung, was enorm die Motivation steigert.
Wie kann eine nachhaltige Transformation in der Mobilitätsbranche gelingen?
Franziska: Es benötigt viele kleine Schritte und ein großes Engagement vieler Mitarbeitenden, vor allem aber ein verändertes Mindset. Viele Mobilitätsunternehmen bestehen seit vielen Jahren und besitzen eine etablierte Unternehmenskultur. Veränderungsprozesse stoßen deshalb zunächst auf altbewährte Strukturen und auf Denkweisen wie zum Beispiel „so haben wir das aber immer schon gemacht, wozu benötigen wir die Veränderungen?“. Hier benötigt es viel Feingefühl und die Fähigkeit, bei den Mitarbeitenden eine Begeisterungsfähigkeit für das Thema Nachhaltigkeit zu erzeugen. Wichtig ist, alle Mitarbeitende im Prozess einzubinden und für das Thema Nachhaltigkeit zu sensibilisieren und motivieren, um gemeinsam eine nachhaltige Transformation zu erreichen. Wie Mareike schon gesagt hat, benötigt es hierfür eine breite Akzeptanz.
In diesem Zusammenhang fällt mir ein Beispiel ein: Seit 2022 gibt es bei der VGF das „Team Energie“ mit Mitarbeitenden aus verschiedenen Abteilungen, die gemeinsam Lösungen zur Steigerung der Energieeffizienz erarbeiten. In jeder Sitzung wird eingangs ein Impulsvortrag gehalten, um die Mitarbeitenden für die verschiedenen Themen zu sensibilisieren und mit den Kolleg:innen Erfahrungswissen auszutauschen. Hier wurde für mich deutlich, dass es wichtig ist, die „richtigen“ Leute an einen Tisch zu bringen und Arbeitsgruppen zu bilden, um die verschiedenen Projekte stemmen zu können. Es ist toll zu sehen, welcher Tatendrang im Team entsteht und mit welcher Motivation Projekte umgesetzt werden, wenn die Sinnhaftigkeit einer Nachhaltigen Entwicklung erkannt wird und Mitarbeitende sich eingebunden fühlen.
Was wünscht ihr euch für die Zukunft?
Franziska: Damit wir eine nachhaltige Entwicklung unserer Umwelt und Gesellschaft erreichen, benötigen wir noch mehr Menschen die intrinsisch motiviert sind, diesen Wandel mitzugestalten. Wir können nicht so weitermachen wie bisher. Ich wünsche mir deshalb, dass immer mehr Unternehmen mit gutem Beispiel vorangehen und eine nachhaltige Entwicklung mit Ernsthaftigkeit angehen. So müssen automatisch immer mehr Unternehmen nachziehen, um zukunftsfähig zu bleiben. Ich finde es außerdem wichtig, dass sich noch mehr Nachhaltigkeits-Hubs in Deutschland bilden, um sich nicht nur intern, sondern auch extern zu vernetzen und Erfahrungswissen austauschen. Die Herausforderungen unserer heutigen Zeit kann man nicht als Einzelkämpfer:innen meistern.
Mareike: Eine junge Kollegin kam letztens auf mich zu und fragte, wie sie ihr Projekt im Unternehmen positionieren und umsetzen kann. Wir haben auf Augenhöhe eine Strategie gebrainstormt, wir beide haben aus dem Gespräch gelernt und für die Zukunft wünsche ich mir, dass wir uns in der Branche noch stärker gegenseitig empowern. Gemeinsam ist man bekanntlich am stärksten
Wie kann ich Nachhaltigkeitsmanager:in werden?
Du kannst einen Berufseinstieg zum Beispiel über ein Studium erreichen. Mittlerweile gibt es zahlreiche Universitäten und Hochschule in Deutschland, die Studiengänge in diesem Bereich anbieten:
· Technische Hochschule Mittelhessen: Betriebswirtschaft – Nachhaltigkeitsmanagement B.Sc.
· Universität Hohenheim: Sustainability & Change B.Sc.
· Hochschule Darmstadt: Risiko- und Nachhaltigkeitsmanagement (RASUM) M.Sc.
· Universität Kassel: Nachhaltiges Wirtschaften M.Sc.
Ein Studium ist aber nicht die einzige Einstiegsvoraussetzung und es gibt viele weitere Wege, um einen Einstieg im Bereich Nachhaltigkeit zu erreichen:
· Ausbildung: Statt für ein Studium kannst du dich auch für eine Berufsausbildung zum Beispiel im Bereich Nachhaltigkeit, Umwelt und Klimaschutz entscheiden.
· Weiterbildung: Darüber hinaus sind Weiterbildungen zum:zur Nachhaltigkeitsmanager:in ein möglicher Weg, um einen Quereinstieg zu erreichen. Es gibt zum Beispiel Weiterbildungsangebote von der IHK Mittelfranken und Haufe Akademie
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