Elfriede Sauerwein-Braksiek modernisiert Deutschlands Autobahnen. Die Direktorin der Niederlassung Westfalen der neu gegründeten Autobahn GmbH des Bundes spricht über die Herausforderungen ihres Jobs, das steigende Güteraufkommen und über Nachhaltigkeit beim Autobahnausbau.
Fotos und Video: Die Autobahn des Bundes GmbH
#MobilityMonday: Sie sind mit der Niederlassung Westfalen der Autobahn GmbH des Bundes für den Erhalt und Ausbau zahlreicher Autobahnen in NRW, Hessen und Niedersachsen verantwortlich. Brauchen wir nicht weniger statt mehr Autoverkehr?
Elfriede Sauerwein-Braksiek: Vor allem Nordrhein-Westfalen ist ein Transitland - nicht nur für den innerdeutschen Warenverkehr, sondern auch für den internationalen Gütertransport. Die Autobahnen sind da so etwas wie die Schlagadern eines Landes. Ohne sie geht nichts, was jetzt gerade auch in Corona-Zeiten deutlich wird. Und die Herausforderung ist, diese wichtigen Verkehrsachsen zu erhalten, auszubauen und den Verkehr auf ihnen bestmöglich zu lenken.
Trotzdem: mehr und mehr Lastwagen können doch nicht die Lösung sein.
Menschen wollen und müssen mobil sein, die Wirtschaft funktioniert ohne eine funktionierende Straßeninfrastruktur nicht. Wir alle wollen, dass Waren pünktlich geliefert werden – nicht nur die Industrie, die „Just-in-time“ bestellt, sondern auch die Verbraucher, die volle Regale in den Supermärkten erwarten und die immer mehr online bestellen.
Alle Prognosen gehen davon aus, dass der Verkehr, vor allem der Güterverkehr, weiter zunimmt.
Aber die Ausbaukapazitäten sind auch mit Blick auf Städtebau und Ökologie irgendwann erschöpft. Den steigenden Güterverkehr können wir nicht allein auf der Straße bewältigen. Schiene und Wasserstraßen müssen da mit einbezogen werden.
Und bis dahin heißt es: mehr Baustellen, mehr Sperrungen, mehr Staus?
Viel mehr Baustellen verträgt unser System tatsächlich nicht… Wir wollen schneller und einfacher bauen. Für uns bedeutet das, zum Beispiel im Brückenbau mit innovativen Verfahren Baustellen voranzutreiben. Wir haben mit mehreren Pilotprojekten Erfahrungen gesammelt, den Anteil der Fertigteile beim Brückenbau noch zu erweitern und so schneller den Verkehr wieder fließen zu lassen. Dabei geht es vor allem um die kleineren Brücken, die von den Verkehrsteilnehmern auf der Autobahn meist nicht einmal wahrgenommen werden. Sie führen über kleine Straßen, Bahngleise oder Bäche. Bei solch geringen Spannweiten können wir gut mit Fertigteilen arbeiten.
Im Übrigen achten wir darauf, dort, wo gebaut wird, den Verkehr bestmöglich fließen zu lassen. Das heißt zum Beispiel: So weit es geht, werden alle Spuren aufrechterhalten, Projekte so miteinander kombiniert, dass nicht nach der Fertigstellung einer Baumaßnahme gleich die nächste beginnt, Wochenend- und Nachtarbeit vermehrt eingesetzt.
Sanieren Sie mehr, als dass Sie neu bauen?
Unsere Infrastruktur stammt weitgehend aus einer Zeit, in der mit weit weniger Verkehr gerechnet und geplant wurde. Ein Großteil unserer Mittel fließt darum in den Erhalt der Autobahnen. Fahrbahnen müssen saniert und Brücken instandgesetzt oder häufig sogar neu gebaut werden. Das liegt auch daran, dass der Verkehr nicht nur in der Menge zugenommen hat. Vor allem die LKW bringen auch mehr Gewicht auf die Straße. Gerade Brücken werden so extrem belastet.
Wir sehen aber auch, dass das bestehende Netz in vielen Bereichen an die Kapazitätsgrenzen stößt. Das lässt sich nicht nur an den täglichen Meldungen über Staus und Störungen ablesen. Und auf den Rastanlagen fehlen Parkplätze, LKW-Fahrerinnen und Fahren finden keine Stellplätze für die vorgeschriebenen Ruhezeiten. Auch für die Sicherheit der Menschen, die die Waren für uns transportieren, müssen wir sorgen.
Fast 1400 Kilometer Autobahn zwischen dem hessischen Gießen und Leer in Niedersachsen müssen betrieben, unterhalten und zum Teil erweitert werden. Allein 60 Großbrücken an der A45 werden in den nächsten Jahren durch Neubauten ersetzt. Die Sauerlandlinie wird durchgängig sechsspurig ausgebaut, auch an A1, A2 und A43 stehen Ausbau- und Sanierungsmaßnahmen an.
Zu wenig Rastplätze, marode Brücken, immer mehr Verkehr: Was sind die größten Herausforderungen?
Da stehen vor allem die Brücken im Fokus. Nehmen wir die A45. Die "Königin der Autobahnen" ist in den 1960/70er Jahren gebaut worden, mit mehr als 60 Großbrücken allein in meinem Zuständigkeitsbereich. Diese Brücken sind in die Jahre gekommen und vor allem durch die Zunahme des Schwerverkehrs hoch belastet. Nun lässt sich die A45 nicht für ein paar Jahre stilllegen, damit wir in Ruhe bauen können. Wir erneuerten also die Brücken zwischen Dortmund und Gießen "unter rollendem Rad".
Ein Teil der Brücken ist einteilig, das heißt, beide Fahrtrichtungen laufen auf einem Bauwerk. Ein Beispiel ist die Lennetalbrücke. Da mussten wir zunächst eine neue Brückenhälfte neben dem bestehenden Bauwerk errichten, um den Verkehr für den Abriss dann umzulegen. Anschließend wurde eine neue zweite Brückenhälfte gebaut und wir haben die Bauwerke zum Schluss so verschoben, dass sie wieder nebeneinanderstanden. Mit einem ähnlichen Verfahren bauen wir auch die Talbrücke Rinsdorf, die wir sogar samt Pfeilern verschieben. Das klingt ganz leicht, ist aber was die Ingenieurleistung angeht, eine echte Herausforderung.
Was ist ihre persönliche Herausforderung in diesem Job?
Ich arbeite seit vielen Jahren in einem männerdominierten Berufsfeld. Als Bauingenieurin war ich in den 1980er Jahren eine Exotin – und dann wollte ich vor allem Brücken bauen und nicht Einfamilienhäuser.
Mit dieser Erfahrung, auch was die Vereinbarkeit von Familie und Beruf angeht, habe ich immer versucht, Frauen nicht nur für diesen Beruf zu interessierten, sondern sie auch zu fördern, ja. Allerdings stets nach der Maßgabe der Bestenauslese. Wir haben viele Frauen in Führungspositionen, in Westfalen haben wir echt eine gute Quote, auch wenn bei den MINT-Berufen nach wie vor der weibliche Nachwuchs fehlt. Da müssen wir noch mehr Interesse wecken, in dem wie mehr über unsere Arbeit berichten. Und darüber, dass sich Familie und Beruf für alle vereinbaren lässt - für Männer wie Frauen.
Ist er das denn? Sie erwähnten Nacht- und Wochenendarbeit bei den Großbaustellen.
Die Autobahn GmbH ist ein attraktiver und familienfreundlicher Arbeitgeber. Unsere Bandbreite reicht von Verwaltungsaufgaben bis hin zum Dienst auf der Straße, der natürlich auch mit Bereitschaftsdiensten verbunden ist. Mit flexiblen Arbeitszeitmodellen und Teilzeitangeboten bieten wir eine hohe Vereinbarkeit. Und vor allem haben wir spannende Jobs. Viele Bereiche sind in der Öffentlichkeit gar nicht so präsent. Wir suchen zum Beispiel für unsere vielfältigen Aufgaben im Bereich Umwelt auch Landespfleger, die sich um Planung, Bau und Pflege von Ausgleichsflächen kümmern. Bau und Betrieb von Autobahnen ist schon lange nicht mehr nur ein Thema für Techniker und Ingenieure. Auch mit Blick auf die Digitalisierung stellen sich uns neue Herausforderungen, für die wir unser Team mit weiteren Kräften ausbauen wollen.
Nochmal zurück zum Nachhaltigkeitsaspekt:
Will die jüngere Generation bei der Autobahn GmbH arbeiten?
Wir sind innovativ und zukunftsorientiert. Und auch die Autobahn will einen Beitrag zum Klimaschutz leisten und alternativen Antriebsformen und neue Mobilitätskonzepte in die Planungen einbeziehen. Wir bauen in Westfalen die Ladekapazitäten für Elektromobilität aus und wollen zum Beispiel Mobilitätsstationen aufbauen, die gerade in den Ballungsräumen zum Beispiel den öffentlichen Nahverkehr, das Rad und die Autobahn optimal verbinden.
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