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„Die Autoindustrie braucht empathisches Recruitment“

Die Autoindustrie wandelt sich und mit ihr die Anforderungen an Mitarbeitende: Während die Autobauer lange Zeit verstärkt nach Ingenieur:innen suchten, sind heute IT-Fachleute begehrt. Welche Fachkräfte besonders stark nachgefragt werden und wie man sie bekommt.


Der Fachkräftemangel ist in allen Branchen spürbar. Laut dem Institut für Arbeitsmarkt und Berufsforschung blieben allein im ersten Quartal des vergangenen Jahres 1,74 Millionen Stellen unbesetzt. „Nicht nur die Zahl der offenen Stellen ist nach der Corona-Krise wieder stark angestiegen, auch die Zahl der Arbeitslosen ist in beiden Landesteilen gegenüber dem Vorjahresquartal deutlich gesunken“, erklärt IAB-Arbeitsmarktforscher Alexander Kubis. „Dies ist ein Hinweis darauf, dass sich die Personalsuche in vielen Bereichen wieder schwieriger gestaltet.“ Das gilt auch für die Automobilindustrie.


Der Kfz-Mechatroniker bleibt zwar der beliebteste Ausbildungsberuf bei jungen Männern in Deutschland. Allerdings machen immer weniger junge Menschen in Deutschland eine Ausbildung. Und während Unternehmen aus der Autoindustrie und Zulieferbranche bei Uniabsolventen verschiedenster Fachrichtungen Jahre lang begehrte Arbeitgeber waren, tauchen mittlerweile immer mehr Tech-Firmen in den Rankings auf.


Autoindustrie braucht mehr IT-Fachleute als Ingenieur:innen

Bemerkenswert: In der Autobranche hat die Nachfrage nach IT-Fachkräften den Bedarf an Ingenieur:innen überholt. Das zeigen Auswertungen des Personaldienstleisters Hays. Die Nachfrage nach Entwicklungsingenieur:innen sei seit Anfang 2020 um rund 64 Prozent gestiegen; bei den IT-Entwickler:innen betrage die Steigerung 146 Prozent.


Ganz besonders begehrt seien Datenbankentwickler:innen, IT-Architekt:innen und Security-Expert:innen. „Diese Jobs sind maßgeblich mitverantwortlich für die erfolgreiche Umsetzung der Digitalstrategie – und damit kritisch für den Unternehmenserfolg. IT-Architekten kümmern sich um die Konzeption, Entwickler bauen Applikationen und Security-Experten halten die Daten sicher“, sagt Simon Alborz, Bereichsleiter Permanent bei Hays. Das bestätigt auch Katharina Messner, Senior Sales Managerin bei Cleverlance Deutschland/ Aricoma. „Der Markt hat sich verändert. Es werden verstärkt Datenexperten und DevOps nachgefragt. DevOps ist ein ganz großes Thema“, sagt sie.

Ihr Unternehmen bietet mittels der gesuchten Fachleute Individualsoftwareentwicklung an. Beispiele sind z.B. einen E-Shop für Skoda, die MyŠkoda-App oder eine Terminbuchungs-App für eine Fahrradwerkstatt. Sie übernehmen Softwareentwicklung, Testing sowie Wartung und Betrieb. Konzerne wie Scania, Skoda oder Volkswagen gehören zu den Kunden.

Verschiedenste Skills gefragt

Die IT-Expert:innen arbeiten für Kunden aus der Automobilbranche, aber auch für den Telekommunikations- und Finanzsektor in verschiedenen Projekten. Manchmal über mehrere Jahre. Wer in einem Projekt für ein Unternehmen aus der Automobilindustrie arbeite, müsse sich dafür aber nicht zwingend mit Autos auskennen. Autospezifisches Wissen sei teilweise wichtig beim Programmieren der Sensorik für Temperaturüberwachung, bei den Fahrerassistenzsystem und Over the Air (OTA), wobei Updates aufgespielt werden können, ohne dass das Auto in die Werkstatt gebracht wird. Aber auch Expert:innen aus dem eCommerce-Bereich programmieren für die Autobauer.


Die Kunden aus dem Automotive-Bereich suchen zum Teil natürlich nach Entwickler:innen, die technische Skills und Fachkenntnisse haben, das ist ganz klar. Aber wenn es zum Beispiel darum geht, für Skoda ein Online-Portal zu bauen, in dem die Kund:innen sich ihr Skoda-Modell konfigurieren können, sind dafür keine speziellen Automobilkenntnisse notwendig.

Katharina Messner, Senior Sales Managerin bei Cleverlance Deutschland/Aricoma


Weil das Auto verstärkt zum fahrbaren Smartphone werde, seien auch zunehmend Fachleute gefragt, die sonst im Consumer Electronics-Markt zu finden sind. Ähnliches bestätigt Christian Sobottka von Harman, einem Anbieter von Connected-Car-Technologie, auf der CES in Las Vegas: „Das Auto wird ein Device, also ein vernetztes Produkt mit Fokus auf dem Nutzererlebnis. Und die derzeitige Erwartung an ein Device ist, dass es upgradeable sein muss. Wie das funktioniert, kann man im Bereich der Consumer Electronics schon sehr deutlich sehen. Also ist die Lösung ein modularer Produkt-Ansatz.“


Autoindustrie arbeitet vermehrt agil

Entsprechend ändere sich auch die Arbeitsweise in den Unternehmen. „Agiles Arbeiten ist ein absolutes Muss“, sagt Katharina Messner. „Nahezu 95 Prozent der Projekte laufen agil, da kommst du ohne gar nicht weiter.“

Entsprechend suchen die Autobauer nach Rollen wie Scrum-Master und Projektleiter, die agile Methoden beherrschen. Viele von ihnen arbeiten mit Workflow-Software und übertragen das agile Arbeiten auf die Prozesse rund um die Fertigung der Fahrzeuge: „Früher hat man erst das Auto gebaut und dann die Software eingesetzt, so wie ein Motorteil. Jetzt werden die Autos um die Software gebaut, die über das Internet immer wieder neu aufgespielt wird“, sagt Scott Farquhar, CEO des Softwareunternehmens Atlassian in einem Handelsblatt-Interview.


Diese Veränderung in der Arbeitsweise erfordere nicht nur andere Fachkräfte und Fähigkeiten bei den Mitarbeitenden, sondern auch viel Beratung bei den Unternehmen selbst, sagt Katharina Messner. „Gerade bei Kunden, die sonst nicht viel mit Softwareentwicklung zu tun haben, machen wir zum Beispiel auch Teamvorschläge und sagen: Wenn du Mobilentwicklung möchtest, brauchst du iOS- und Android-Entwickler:innen. Außerdem brauchst Rollen wie Architekten, DevOps, Tester …“


Wie kommen Unternehmen an die gefragten Kräfte?

„Für IT-Talente sieht die aktuelle Arbeitswelt im Automobilbereich sehr gut aus“, sagt Michael Zondler, Geschäftsführer des Personalberaters Centomo. Dies dürfte sich auf absehbare Zeit nicht ändern, die Digitalisierung nehme in der Branche erst so richtig Fahrt auf.

Um die Fachkräfte für sich zu gewinnen, müssen Unternehmen „auf schnelles, flexibles und intelligentes Recruiting entlang des gesamten Bewerbungsprozesses setzen“, schreibt Alexander Schlomberg-van Doren, Managing Director bei Expertlead in einem Gastbeitrag in der „Automobil Industrie“. Wer europaweit suche und Freelancer berücksichtige, werde deutlich schneller fündig. Er rät außerdem dazu, Active Sourcing zu betreiben und Fachkräfte in Online-Entwickler-Communitys wie Github oder Stack Overflow gezielt anzusprechen. Im Vorstellungsgespräch sollte seiner Meinung nach technisches Know-how im Vordergrund stehen.

Katharina Messner dagegen sagt: „Das Geheimnis ist empathisches Recruitment – wir versuchen darauf zu hören, was sich unsere Kandidat:innen wünschen und eine entsprechende Firmenkultur zu pflegen. Wir schließen niemanden aus, was eine große Wirkung hat.“ So betrage der Frauenanteil unter den IT-Fachleuten, die bei Cleverlance angestellt sind, 30 Prozent. Die Mehrheit der Mitarbeitenden sei zwischen 25 und 40 Jahre alt.

Neben Kultur und Gehalt seien Weiterentwicklungsmöglichkeiten ein Argument, mit dem sich Fachkräfte überzeugen ließen, sagt Katharina Messner. „Wir bilden eine riesige Bandbreite von Programmiersprachen, Frameworks und Tools ab. Wir kümmern uns stets um die aktuellsten Technologien; bei uns können die Kolleg:innen beruflich auf dem neuesten Stand bleiben.“ Das zahle sich schon im Recruiting aus.


„Wenn eine Person sich mehr in Richtung Scrum-Master entwickeln möchte, dieses im Projekt aber nicht möglich ist, sagen wir trotzdem: okay, warum nicht? Dann kommt eben eine neue Entwicklerin ins Projekt und der andere kann die Scrum-Masterrolle lernen bzw. in einem anderen Projekt übernehmen.“

Katharina Messner, Senior Sales Managerin bei Cleverlance Deutschland/Aricoma




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