"Ich will, dass Schiffe, Flugzeuge und Rennwagen klimaneutral unterwegs sind"
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Klimaneutraler Treibstoff von Europa für Europa: Unternehmensberaterin Dr. Sylvia Trage arbeitet daran, dass diese Vision für Schiff-, Luft- und Raumfahrt sowie Motorsport real wird. Sie hat HyLion initiiert, ein Netzwerk, in dem Partner aus Schottland und Deutschland eine effiziente Lieferkette für e-Methanol aufbauen – und damit einen Beitrag zur Dekarbonisierung leisten.

Wie gelingt es, dass sich Schiffe, Flugzeuge oder Rennwagen künftig klimaneutral fortbewegen? Die Antwort könnte aus Schottland kommen. Hier stellen Start-ups unter anderem aus Whiskey klimaneutrale Treibstoffe her. Das bei der Gärung des Alkohols entstandene, bereits sehr reine CO2 wird nicht in die Luft gestoßen, sondern gesammelt und mit Wasserstoff vermischt – daraus wird e-Methanol und dann Treibstoff produziert. Dieser ist klimaneutral, wenn er wie in Schottland aus erneuerbaren Quellen stammt. Insbesondere in der Schifffahrt, aber auch im Verkehrswesen insgesamt, verbessert e-Methanol erheblich die CO2-Bilanz.
Was technisch gut umsetzbar ist, erfordert den Mut von kleinen Unternehmen, das Thema konsequent anzugehen. Und: Es braucht Menschen, die diese Start-ups miteinander vernetzen, sodass sie gemeinsam einen größeren Beitrag leisten können – für den Klimawandel. Eine dieser Netzwerkerinnen ist Sylvia Trage. Die Unternehmensberaterin bringt Schotten und Deutsche im HyLion-Netzwerk zusammen.
Die Initiative europäischer Unternehmen will die Produktion von e-Methanol umsetzen, das dann direkt für die Schifffahrt, aber auch für die Herstellung synthetischer Kraftstoffe, beispielsweise für die Flugzeugindustrie, genutzt werden kann. Mit dem Projekt verbunden ist zudem der Aufbau einer digitalen, datenbasierten und KI-gestützten Lieferkette „end-to-end“ in Europa sowie eine zentrale, skalierbare Plattform, die später auch für andere Derivate genutzt werden kann.
Wie kommt man zu so einem Projekt? „Beim Lesen eines Romans, der von Nationalhelden im Mittelalter in Schottland handelte“, erzählt Sylvia Trage und lacht. „Die Freiheitskämpfe der Schotten gegen die Engländer und ihr fester Glaube an die Freiheit haben mich so fasziniert, dass ich begonnen habe, mich für das Land zu interessieren.“ Auf einer Zugfahrt von Berlin nach München stieß sie auf die innovative Unternehmenslandschaft – und buchte spontan ein Flugticket nach Schottland, um sie sich anzusehen und mit Start-ups in den Austausch zu kommen.
Mit im Gepäck: Viel Know-how und jahrelange Erfahrung durch ihr Studium der Wirtschaftsingenieurwesen mit Schwerpunkt Elektrotechnik und die zum Teil selbstständige internationale Beratungstätigkeit im Bereich Einkauf und Supply Chain. Dazu kam die Motivation, beruflich noch mal etwas Neues, Besonderes zu starten. „Vor Ort bin ich erst auf das Zukunftsthema Wasserstoff gestoßen und dann auf die Idee, dieses Thema mit meiner Expertise im Bereich ganzheitlicher, strategischer Supply Chain zu einer Lieferkette zwischen Schottland und Deutschland zu verbinden.“
Die Spinne im Netz
Vier Jahre, zwölf Reisen und etliche Gespräche später ist das HyLion-Netzwerk entstanden. Ziel ist es, dass jeder Partner in dem Netzwerk einen Teil der Supply Chain zu dem Gesamtwerk beiträgt. Sylvia Trage und ihre Kollegen koordinieren das Ganze „als Spinne im Netz“. Dabei stehen sie auch mit der schottischen Regierung in Kontakt. Die Unternehmensberaterin ist in der Rolle eines „Global Scots“: sie versucht, schottische Initiativen und Unternehmen mit anderen innovativen Vorhaben in Deutschland und Europa zusammenzubringen. Im Rahmen eines Abkommens soll die Entwicklung einer internationalen Wasserstoffindustrie beschleunigt werden. Besonders die Schifffahrt ist stark unter Druck, zu dekarbonisieren – der Bedarf an e-Methanol wird in den nächsten Jahren entsprechend steigen.

Neben der koordinierenden und beratenden Rolle in jeder Projektphase, liefert Sylvia Trage über ihren Arbeitgeber MHP auch Unterstützung im Bereich Digitalisierung, Datenmanagement und KI. Mit den Daten wird nicht nur jede Anlage, auch unter Einsatz von Künstlicher Intelligenz, optimiert, sondern auch das Tracking entlang der Lieferkette ermöglicht. Bedeutet, der Endabnehmer des e-Methanols kann in Echtzeit sein Produkt verfolgen und Prognosen erstellen: wie wirken geopolitische Spannungen auf die Lieferkette ein, wann kommt der nächste Sturm auf und wie sehr verzögert sich die Fracht. „Wir erstellen zum einen den Digitalen Zwilling einer Supply Chain und entwickeln zum anderen eine skalierbare Plattform, über die verschiedene Projekte abgewickelt werden können – in dieser Form ist HyLion einzigartig“, fasst Sylvia Trage zusammen.
"Mein Vater hat mir vorgelebt, durchzuhalten"
Wie damals am Lehrstuhl, ist die promovierte Maschinenbau-Expertin auch in diesem Geschäftsumfeld eine der wenigen Frauen. Was sie auszeichnet? „Ausdauer! Mir werden immer wieder Zweifel entgegengebracht und Steine in den Weg gelegt – viele geben dann auf. Ich nicht, mein Vater hat mir vorgelebt, durchzuhalten, auch wenn ich dafür einen Umweg nehmen muss, und mittlerweile prägt mich auch die Mentalität der Schotten. Ich will dieses Herzensprojekt unbedingt umsetzen. Dank der Management- und IT-Beratung MHP kann das schon bald Realität werden.“

Was sich die Unternehmensberaterin auch zunutze macht, ist ihre Fähigkeit, strukturiert und analytisch zu denken, sich tief in neue Themen einzuarbeiten, kritisch zu hinterfragen und Aufgaben pragmatisch anzugehen. „Meine junge Kollegin nennt mich liebevoll ‚Tsunami‘ – wenn jemand sagt, dass etwas nicht geht, wirble ich erstmal alles durcheinander, bis ich eine alternative Lösung gefunden habe.“ Was sich wiederum wie ein roter Faden durch ihre Karriere zieht: die Leidenschaft für Mobilität und Energie.
Aktuell sucht Sylvia Trage nach weiteren lokalen Partnern und europäischen Investoren, die ihre Leidenschaft teilen und an die Vision glauben. „Wir haben bereits Abnehmer für das e-Methanol und Firmen, die die Technologie stellen – als nächstes wollen wir die ersten Pilotprojekte umzusetzen.“
Als erster Pilot sind jährlich über 9.000 Tonnen Wasserstoff und rund 45.000 Tonnen E-Methanol geplant; in den Folgejahren bestehen bereits aus heutiger Sicht enorme Skalierungsmöglichkeiten, auch in anderen EU-Ländern.
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