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"Unser Verkehrssystem schränkt die Mobilität älterer Menschen ein"

Die demografische Entwicklung ist in vollem Gang: Bis 2035 wird jede vierte Person in Österreich über 65 Jahre alt sein, in Deutschland ist bereits jede fünfte Person über 66. Doch unser Verkehrssystem ist darauf nicht vorbereitet. Wie wir im gesamten DACH-Raum Mobilität für alle Generationen neu denken müssen – und warum das eine Chance für gerechte Mobilität für alle ist.

Elderly woman with walking stick and bag crossing a street

Die Zahlen sind im gesamten DACH-Raum eindeutig: In Deutschland ist bereits jede zweite Person über 45 und jede fünfte über 66 Jahre alt. Bis zum Jahr 2045 wird sich die Anzahl der über 85-Jährigen in Österreich verdoppeln, und auch die Schweiz erlebt einen ähnlichen demografischen Wandel.

Doch während unsere Gesellschaft altert, bleibt die Verkehrs- und Mobilitätsplanung in den westlichen Ländern an einem veralteten Standard orientiert – dem mittelalten, gesunden Mann von 1,78 Metern Körpergröße. Frauen, Kinder, ältere oder behinderte Menschen und deren Mobilitätsbedürfnisse werden in der Planung von Fahrzeugen, Städten, Bustaktungen und Straßen oder Mobilitätsangeboten jedoch nicht bis kaum berücksichtigt, wie auch eine Studie des Deutschen Luft- und Raumfahrtcentrums (DLR) zeigt.

Der Soziologe und Altersforscher Anton Amann bringt es auf den Punkt: Zur Lebensqualität im Alter gehört möglichst uneingeschränkte Mobilität. Diese wird aber gerade für ältere Menschen vielfach behindert – durch verkehrstechnische Bedingungen, durch die Gesundheit, aber auch durch Vorurteile. Als Problem für die Zukunft gilt, dass die Kluft zwischen hochmobilen und sehr immobilen älteren Menschen größer werden wird. Gründe sind die Zunahme der Dichte und der Geschwindigkeit des Straßenverkehrs. Er sagt gegenüber dem Verkehrsclub Österreich (VCO): „Unser Verkehrssystem schränkt die Mobilität älterer Menschen ein“


Grafik aus dem VCÖ-Magazin zu Mobilität im Alter mit verschiedenen Fakten zu Alter, Barrieren und möglichen Lösungen
Hier geht's zum VCÖ-Magazin-Artikel zur Mobilität im Alter

Allerdings werden ältere Menschen im Straßenverkehr überdurchschnittlich häufig schwer verletzt oder getötet. Birgit Gerstorfer, Präsidentin Pensionistenverband Österreichs, fordert daher zu Recht, dass die Sicherheit von älteren Menschen bei der Verkehrsplanung noch stärker berücksichtigt werden muss. "Unser Verkehrssystem nimmt auf ältere Menschen zu wenig Rücksicht. Dabei ist Mobilität die Voraussetzung für gesellschaftliche Teilhabe und für ein selbstbestimmtes Leben", sagt sie.

Der österreichische Pensionistenverband, dem sie vorsteht, fordert längere Ampelphasen, Ausbau der Gehsteige und bessere Beleuchtung. "Ebenso sollten ungesicherte Bahnübergänge endlich der Vergangenheit angehören. Distanzen zwischen Zebrastreifen sollten verringert und so mehr sichere Querungsmöglichkeiten geschaffen werden. Unübersichtliche Straßenübergänge sollten entschärft werden.“


Zu den wirkungsvollsten Maßnahmen, um die uneingeschränkte und sichere Mobilität älterer Menschen zu gewährleisten, gehören:

  • Breite Geh- und Radwege

  • Verkehrsberuhigung und Tempo 30

  • Längere Grünphasen bei Fußgängerampeln

  • Sitzgelegenheiten und Beschattung

  • Barrierefreier Zugang zu öffentlichen Verkehrsmitteln

  • Einfacher Ticketkauf und freundlich gestaltete Stationen


Davon würden alle Menschen profitieren, unabhängig von Alter oder Geschlecht. Denn ein bedarfsgerechtes Mobilitätsangebot muss die Bedürfnisse aller Altersgruppen berücksichtigen.

Und zu kurze Ampelschaltungen, schlechte Beleuchtung oder schneller und aggressiver Verkehr sind nicht nur für Menschen jenseits der 60 ein Problem.


Gehen und Radfahren spielen im Alter eine wichtige Rolle

Die Herausforderungen für die Mobilität im Alter sind komplex, denn der DACH-Raum ist geografisch und demografisch vielfältig. Während die 20- bis 40-Jährigen Großstädte bevorzugen, leben die 60- bis 80-Jährigen größtenteils in ländlichen Gebieten oder im Speckgürtel der Städte. Und während es in Städten wie Wien, Zürich oder München viele Alternativen zum privaten Auto gibt, fehlt auf dem Land oft ein gut ausgebauter öffentlicher Nahverkehr. Die Faustformel lautet überall gleich: Je ländlicher die Region, desto seltener gibt es regelmäßigen ÖPNV.

Die Zahlen sprechen eine klare Sprache: Nur 60 Prozent der Bewohner in ländlichen Regionen sind mit der Erreichbarkeit der Haltestellen zufrieden, noch weniger mit der Qualität und dem Takt. In städtischen Gebieten ist die Zufriedenheit höher – nur die Nutzungsmöglichkeiten für Fahrräder werden auf dem Land positiver bewertet. Dieses Muster zeigt sich in Deutschland, Österreich und der Schweiz gleichermaßen.


Im Alter nimmt die Bedeutung des Gehens in der Alltagsmobilität stark zu. Gehen ist nicht nur gesund, sondern ermöglicht Unabhängigkeit, den Erhalt gesellschaftlicher Teilhabe und sozialer Beziehungen. Auch das Radfahren gewinnt an Bedeutung – insbesondere durch Elektroräder. Während in Ländern wie Österreich, Deutschland oder der Schweiz die Fahrradnutzung mit zunehmendem Alter traditionell abnimmt, zeigen sich in Regionen mit guter Infrastruktur erfreuliche Ausnahmen: In Vorarlberg legt die Generation 65plus 27 Prozent ihrer Alltagswege mit dem Rad zurück, fast die Hälfte davon mit dem Elektrorad. In den Niederlanden ist aktives Radfahren im Alter längst selbstverständlich – ein Vorbild für den gesamten DACH-Raum.

Elke Fitz von „Radeln ohne Alter Österreich" formuliert es so: "Wir müssen weg von autozentrierter Verkehrsplanung. Im öffentlichen Raum sollen sich alle Menschen sicher von A nach B bewegen können, ganz egal wie alt sie sind. Barrierefreiheit soll in unserer Gesellschaft eine Selbstverständlichkeit werden – indoor und outdoor, im Hochbau, im Fuß- und auch im Radverkehr."


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