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"Es wird Zeit für mehr Frauen im Weltall."

Als kleines Mädchen hat Claudia Kessler die Mondlandung im Fernsehen verfolgt und beschlossen: Ich werde Astronautin. Heute lautet die Mission der erfolgreichen Ingenieurin für Luft- und Weltraumfahrttechnik: Wir bringen die erste deutsche Frau ins All.


Quelle: Die Astronautin GmbH



Am 12. April 1961 ist der russische Astronaut Juri Gagarin als erster Mensch in den Weltraum geflogen. Seitdem sind ihm viele gefolgt. Die meisten Astronauten waren Amerikaner, aber auch elf Deutsche waren bereits im All:


  1. Sigmund Jähn

  2. Ulf Merbold

  3. Reinhard Furrer

  4. Ernst Messerschmid

  5. Klaus-Dietrich Flade

  6. Hans Schlegel

  7. Ulrich Walter

  8. Thomas Reiter

  9. Reinhold Ewald

  10. Gerhard Thiele

  11. Alexander Gerst

Raumfahrt ist scheinbar Männersache.


Tatsächlich waren bisher nur 10 Prozent der Menschen, die ins All geflogen sind, Frauen. „Reine Männercrews auf der ISS sind Gang und Gäbe“, bestätigt Claudia Kessler. Die Ingenieurin für Luft- und Raumfahrttechnik will das ändern und die erste deutsche Astronautin ins All bringen. Nicht nur wegen der Gleichberechtigung und der Vorbildfunktion für junge Mädchen, sondern vor allem für den wissenschaftlichen Fortschritt.

 

Claudia Kessler hat Maschinenbau mit dem Schwerpunkt Luft- und Weltraumfahrttechnik studiert. Sie arbeitete in verschiedenen Führungspositionen in der Luft- und Raumfahrtbranche, unter anderem als Managerin bei EADS Raumtransport oder als Recruiterin für HE Space. Kessler ist Mitglied des Senats der Deutschen Gesellschaft für Luft- und Raumfahrt (DGLR) und der International Academy of Astronautics (IAA). 2009 gründete sie mit der damaligen Direktorin für Raumfahrt bei der EAS, Simonetta Di Pippo, das Netzwerk Frauen in Aerospace. 2016 gründete Kessler dann das Raumfahrt Start-up „Die Astronautin“. 2022 soll die erste Deutsche ins All fliegen.

 

MobilityMonday: Anfang Februar hat die Europäische Weltraumorganisation ESA Astronautinnen und Astronauten aufgerufen, sich für einen Flug zur ISS zu bewerben. Zum ersten Mal seit elf Jahren sucht die ESA wieder aktiv Bewerber – und spricht gezielt Frauen an. Wird die Raumfahrt diverser?

Claudia Kessler: Beim letzten Aufruf der ESA vor elf Jahren ist keine einzige deutsche Frau ausgewählt worden. Also hat die ESA daraus geschlossen, dass es in Deutschland keine Frauen gibt, die qualifiziert genug sind. Was nicht stimmt. Vielmehr werden die Auswahlkriterien von Männern für Männer gemacht – auch die Auswahl treffen ebenfalls Männer. Deshalb haben wir uns gegründet.



Die Astronautin, die ihr ins All schicken wollt, soll 2022 mit Axiom Space - einem privaten US-amerikanischen Raumfahrtunternehmen fliegen. Sind ihre Aufgaben bei einem kommerziellen Flug andere als bei einem Flug mit der ESA?

Auch die Astronaut*innen, die mit Axiom fliegen, betreiben Forschung. Die Daten, die die deutsche Astronautin erheben wird, sind Teil eines Forschungsprojekts, das wir gemeinsam mit dem Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt e.V., der Berliner Charité und der Universität München betreiben.


Sie soll unter anderem erforschen, wie der weibliche Körper auf Schwerelosigkeit reagiert. Wieso weiß man darüber denn noch nichts?

Es gibt in Deutschland KEINE Daten dazu. 90 Prozent der 67 Frauen, die bisher im All sind oder waren, sind Amerikanerinnen. Deren Daten sind hoheitlich.


Also weiß man außerhalb der NASA nichts über medizinische Unterschiede zwischen Astronauten und Astronautinnen?

Man weiß schon, dass es genauso anders ist wie auch auf der Erde - Stichwort Gendermedizin - aber auch 67 sind eben noch keine statistische Größe!


Welche Erkenntnisse erhofft ihr euch von medizinischen Tests der Astronautin und lassen sich die Ergebnisse aus der Schwerelosigkeit überhaupt 1:1 auf die Medizin hier auf der Erde übertragen? Bei den Tests geht es zum Beispiel um Osteoporose, also Knochenschwund. Diese Krankheit betrifft Frauen aus hormonellen Gründen deutlich häufiger als Männer. Im All tritt Osteoporose schneller und stärker ein als auf der Erde, ist aber reversibel. Was sie hier unten nicht ist. Die Erkenntnisse aus dem All fließen in die Behandlungsmethoden auf der Erde ein.



Anfangs hattet ihr 400 Bewerberinnen, jetzt sind mit Dr. Insa Thiele-Eich und Dr. Suzanna Randall noch zwei Kandidatinnen für die Reise zur ISS übrig. Ist die Quote bei männlichen Astronauten auch so?

Ja, sie ist sogar noch geringer: Bei der letzten Auswahl haben sich 10.000 Menschen, Männer und Frauen, beworben und sieben wurden ausgewählt. Darunter eine Frau. Eine Italienerin.


Wenn wieder ein Team zu einer Raumstation geschickt werden soll, kann man bzw. frau sich einfach auf einen Platz bei den Space Agencies bewerben?

Ja, klar. Jetzt zum Beispiel ruft die ESA zur Bewerbung auf und schreibt Plätze aus. Aktuell läuft das Bewerbungsverfahren für vier Plätze. Die Bewerbungsphase geht bis Ende 2022, anschließend trainieren die ausgewählten Kandidaten und Kandidatinnen fünf bis sechs Jahre lang, bevor sie ins All fliegen können.


Und wer entscheidet letztlich, wer mitfliegen darf?

Bisher nur die europäische Raumfahrtagentur ESA.


Dr. Thiele-Eich ist Meteorologin an der Universität Bonn, Dr. Randall Astrophysikerin bei der European Southern Observatory. Sind alle Astronautinnen bzw. Bewerberinnen Forscherinnen? Ja, genau das. Und Soldatinnen, Pilotinnen und Ingenieurinnen.


Ihr habt vor Corona auch viele Vorträge an Schulen gehalten und zusammen mit dem Fraunhofer Institut bei verschiedenen Aktionen zusammengearbeitet, um Mädchen für MINT-Fächer zu begeistern. Was muss ein kleines Mädchen lernen, wenn sie später Astronautin werden möchte? Programmieren, Physik und tauchen. Und sie braucht eine gute Reaktionsfähigkeit, schnelle Auffassungsgabe, Teamfähigkeit, Mut, Leadership-Qualitäten und Neugier. Unabhängig von ihrem Beruf und ihren Fähigkeiten müssen alle Bewerberinnen ein hartes Training mit speziellen Gerätschaften absolvieren, bevor es ins All geht.



Woher bekommt eine private Initiative wie ihr zum Beispiel ein Flugzeug, um Parabelflüge zu trainieren?

Oft finden wir Partner, die uns In-Kind trainieren lassen, wie z.B. die Bundeswehr. Parabelflüge haben wir mit dem Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt in Russland gemacht, Tauchen bei COMEX, der Compagnie Maritime d'Expertises, in Marseille. Aber einiges mussten wir auch selbst finanzieren.


Apropos Geld: Was kostet der Flug für die erste deutsche Astronautin mit Axiom Space?

Rund 50 Millionen Euro – nur für den Flug. Das kostet bei der ESA aber genauso viel. Nur zahlen es da wir alle mit unseren Steuern. Wir müssen einen Sponsor finden. Beziehungsweise brauchen die Unterstützung des Bundeswirtschaftsministeriums. Das aktuell auch die Kosten für das Training des 12. deutschen männlichen Astronauten übernimmt, der ins All fliegen soll.


Wegen des fehlenden Geldes sind Dr. Thiele-Eich und Dr. Randall noch auf der Erde?

Wir haben das Geld für den Flug noch nicht sicherstellen können und der erste kommerzielle Flug zur ISS ist jetzt für Januar 2022 angekündigt. Der ist aber schon voll, wir werden also frühestens Mitte 2022 fliegen können.

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