Das Mobility Institute Berlin berät Verkehrsunternehmen und Kommunen in Sachen Mobilitätswende. Von Angebotsplanung über Elektrifizierung der Busflotte bis zum ganzheitlichen Konzept zur Erreichung der Klimaziele. Wir wollten wissen, was man als Mobilitätswendeberater:in können muss.
„Mobilitätswandel ist eine Lösung für ganz viele Herausforderungen, die wir heute sehen.“ Das sagte Torben Greve, Gründer und CEO des Mobility Institutes Berlin (mib), im vergangenen Jahr auf der Veranstaltung Visions for Urban Mobility vor Vertreter:innen der Verkehrsunternehmen. Dort stellte das mib ein Strategiepapier vor, das zeigen soll, wie Visionen zu Werkzeugen für den Mobilitätswandel werden und was Deutschland von Städten wie Medellin (Kolumbien) oder den Superblocks aus Barcelona lernen kann.
Das Mobility Institute Berlin (mib) hat sich die Beratung von Verkehrsunternehmen und -verbünden sowie Kommunen in Sachen Mobilitätswende und nachhaltiger Mobilität auf die Fahne geschrieben.
Seit Januar 2022 ist Pelin Wolk beim mib COO & Head of Partnerships. „Als COO kümmere ich mich um so ziemlich alles, was bei uns an internen Prozessen läuft. Von HR und Recruiting, was super wichtig für uns ist, über Geschäftsentwicklung bis zu Marketing, und Kommunikation.“ Auch in Kundenprojekten arbeite sie zum Teil mit.
Mit uns hat sie über die Aufgaben einer Mobilitätswendeberaterin bzw. eines Mobilitätswendeberaters gesprochen.
Was machen Mobilitätswendeberater:innen?
Unternehmensberatungen, die sich auf den ÖPNV spezialisiert haben, gibt es einige. Die Themen, mit denen sie sich beschäftigen, reichen von Angebots- und Netzplanung über Marketingkampagnen bis zu Strategien für die Einbindung von Sharing Angeboten und On-Demand-Verkehren. Bei Pelin und ihrem Team kommen außerdem ganzheitliche Konzepte für Städte und Kommunen hinzu, wie sie ihre Emissionen reduzieren und die Klimaziele erreichen können. Ein weiteres Team aus Datenanalyst:innen berät Kund:innen aus der Verwaltung oder den Verkehrsunternehmen, wie sie Mobilitätsdaten aufbereiten und auswerten können und welche Schlüsse sich daraus ableiten lassen. „Es geht immer um Lösungsfindung“, sagt Pelin.
Unsere Kunden kommen mit den unterschiedlichsten Aufgaben zu uns. Von der klassischen Netzplanung – ein Expressbus soll eingeführt werden und die Kunden wollen wissen, wo die Linie am besten langlaufen soll – bis hin zur Elektrifizierung der Busflotte, weshalb neue Betriebshof-Flächen gebraucht werden.
Pelin Wolk, COO and Head of Partnerships bei Mobility Institute Berlin
Ein Beispiel für ein Projekt mit einem Verkehrsunternehmen ist das Projekt Angebotsoffensive, dass das mib-Team gemeinsam mit der Hamburger Hochbahn angegangen ist. Das Ziel: 50 Prozent mehr Fahrgäste bis 2030 zu gewinnen und die Attraktivität des Angebots deutlich zu steigern.
Neben verschiedenen Workshops haben die Mobilitätsberater:innen vom mib mehr als über 200 Millionen Datenpunkte analysiert und daraus unter anderem die Idee für den Express- und den Quartierbus entwickelt.
„Es gibt häufig verschiedene Möglichkeiten, etwas zu lösen. Hier muss man den Mut haben, Position zu beziehen“, sagt Pelin. „Es ist nicht immer die komplexeste, allumfassendste Lösung die richtige, sondern oft die pragmatischste.“ Weitere Maßnahmen aus dem Projekt werden seit 2019 im Rahmen des Hamburg Takts umgesetzt.
Mit traffiQ, das im Auftrag der Verkehrsgesellschaft Frankfurt am Main den gesamten öffentlichen Bahn- und Busverkehr verantwortet, habe man Busse fahrgastfreundlicher gestaltet. Mittels Design Thinking habe sich das Projektteam der Antwort auf die Frage genähert, was sich die Fahrgäste wünschen, wenn sie in einen Stadtbus einsteigen und womit sie sich wohlfühlen.
Welche Skills brauchen Berater:innen bei mib?
Allgemein beraten Unternehmensberater:innen Betriebe bei wirtschaftlichen Fragen. Sie analysieren, wo Ressourcen gespart werden sollten und wie höhere Gewinne erzielt werden können. Sie erstellen Konzepte, die der Optimierung von Geschäftsprozessen dienen und kontrollieren, inwiefern die gesetzten Ziele bereits erreicht wurden. Das ist beim mib nicht anders. Nur dass der Fokus auf der Mobilitätswende liegt und nicht beispielsweise auf der Erschließung neuer Märkte oder Mergers & Acquisitions.
Fachlich sei ein Hintergrund in der Mobilität zwar wünschenswert und auf jeden Fall hilfreich, aber nicht zwingend erforderlich. Beim mib zum Beispiel arbeiten Datenanalyst:innen, Stadt- und Verkehrsplaner:innen genausso wie Geisteswissenschaftler:innen. „Wir haben auch Kolleg:innen, die vorher im Betrieb in einem Verkehrsunternehmen gearbeitet haben“, sagt Pelin.
Wir ziehen natürlich einen gewissen Typ Mensch an, der tendenziell eher ÖPNV-Nutzer ist oder gerne Fahrrad fährt und für den Verkehrswende und Mobilitätswende wichtig sind. Wenn das nicht gegeben ist, kann man sich nicht so in die Projekte reinknien, wie wir das tun. Mobilitätswende ist das einzige, was wir inhaltlich tun. Wenn du am allerliebsten mit dem Auto durch die Gegend fährst, wird es dir keinen Spaß machen, jeden Tag Mobilitätswende-Projekte zu machen und dich inhaltlich damit auseinanderzusetzen, wie du den ÖPNV stärken und attraktiver gestalten kannst.
Pelin Wolk, COO and Head of Partnerships bei Mobility Institute Berlin
„Wir arbeiten sehr stark in Sprints“, sagt Pelin. Methodisches Denken und Zielsetzung seien in der Projektarbeit besonders wichtig. „Wir müssen uns immer fragen: Was ist das Ziel des gesamten Projektes, aber auch: Was ist das Ziel des nächsten Arbeitspaketes?“
Gesucht: Angebotsplaner:innen für die Mobilitätswende
Der Fachkräftemangel sei für die Kund:innen des mib ein riesiges Thema. „Natürlich können wir gemeinsam mit unseren Kunden ganz viel erarbeiten, wie die Attraktivität künftig gesteigert werden kann. Aber wenn Fahrleistungen nicht erbracht werden können, die bereits vereinbart ist, weil Fahrer:innen fehlen, ist uns mit einer Kampagne nicht geholfen.“
Während die Verkehrsunternehmen aktuell vor allem Fahrpersonal brauchen, suchen Pelin und ihr Team nach Strategieberater:innen und auch Angebotsplaner:innen. „Von ihnen gibt es nicht so wahnsinnig viele und die, die es gibt, sind in Lohn und Brot und die Arbeitgeber versuchen sie natürlich so gut wie möglich zu halten.“
Ich sehe sehr viele Kampagnen von ÖVs, die versuchen, Frauen anzusprechen und hinters Steuer zu bekommen. Wenn Frauen im Unternehmen sichtbar sind, dann bewerben sich dort auch weitere Frauen. Das muss ich irgendwie hinbekommen. Ich kann natürlich sagen: „Frauen, bewerbt euch bei mir“, aber es hilft, wenn ich als Bewerberin sehen kann, dass das nicht nur Lippenbekenntnisse sind.
Pelin Wolk, COO and Head of Partnerships bei Mobility Institute Berlin
Um junge Kolleg:innen zu gewinnen, rekrutiere ihr Unternehmen die Talente direkt von der Uni weg, sagt sie. Erfahrene Führungskräfte zu finden, sei dagegen eine große Herausforderung. Gerade, wenn man weibliche Fachleute suche. „Bei den Stadtplaner:innen ist das Verhältnis ausgewogen, das ist zumindest mein Eindruck. Die Berufe, bei denen Menschen Verkehrsnetze planen und entscheiden, in welcher Taktung Busse fahren, scheint mir dagegen eher noch eine Männerdomäne zu sein.“
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